Auf der Straße nach Oodnadatta
U-Distrikt«, sagte Marjorie. Sie stiegen ein und schwiegen während der kurzen Fahrt zur Avenue. »Was hältst du von Jans Nudelhaus?«, fragte Marjorie beim Aussteigen.
Das Lokal lag nur einen Häuserblock entfernt. »Von mir aus«, sagte Kate, die sicher war, dass sie sowieso keinen Bissen hinunterbringen würde.
Sie bestellten über das Tischterminal Thai-Nudeln, Salat und Bier. »Ich muss gestehen, dass ich nicht ganz durchblicke«, sagte Marjorie. »In den Nachrichten haben sie gesagt, dein Vater sei in Los Angeles gewesen, als er den Schlaganfall bekam – mit Lady Godiva, um genau zu sein. Und die J’s sagen das auch. Warum ist er dann nicht dort im Krankenhaus?«
Kate stützte ihre Ellbogen auf die glatte Kunststoffoberfläche des Tisches und massierte erschöpft ihr Gesicht, als ob dieses Reiben auf der Haut ihre Gedanken besser in Gang bringen würde. »Ich blicke genauso wenig durch wie du«, sagte sie. »Matt Hull, der Anwalt meines Vaters, bestand darauf, dass mein Vater nur hier im University Hospital behandelt werden dürfe, und da Matt eine entsprechende Patientenverfügung besitzt, hatten wir keine andere Wahl, als meinen Vater hierher fliegen zu lassen.« Kate nagte an ihrer Lippe. Sie war nicht mehr ganz so verwirrt wie vorher; der Gedanke war ihr gekommen, dass dieses Forschungsprojekt, das ihr Vater ins Leben gerufen hatte (um was immer es dabei auch ging), mit der Sache etwas zu tun hatte. »Matt behauptet, es sei wegen der Sicherheit. Einige Ärzte wären zu den Hassern gegangen. Und in Los Angeles seien von Ärzten bereits Todesdrohungen gegen meinen Vater aufgetaucht.«
Marjorie schaute völlig ungläubig. »Was für ein Blödsinn! Natürlich ist dein Vater reich, wichtig und berühmt, und solche Leute sind immer Zielscheibe für irgendwelche Irren, die sie aus purer Niedertracht umbringen wollen. Aber Ärzte bei den Hassern …« Sie schnaubte. »Und außerdem dachte ich immer, dass die meisten Ärzte eine Menge investiert hätten, um in der Mittelschicht zu bleiben. Sie wären ja verrückt, das alles aufs Spiel zu setzen, bloß um sich am Morden der Hasser zu beteiligen.«
»Der Meinung bin ich eigentlich auch.«
»Weil wir grade von berühmten Leuten sprechen – wie interessant, dass er bei Godiva war. Du hast nie erwähnt, dass du sie kennst.«
Kate trank einen großen Schluck geeisten Wassers. Sie hatte den ganzen Tag über vergessen, Wasser zu trinken. »Weil ich sie nie gesehen habe«, erwiderte sie. »Mein Vater trifft sich erst seit ungefähr zwei Monaten mit ihr.«
Marjorie gluckste. »Jeder andere hätte sich die Beine ausgerissen, um Godiva kennen zu lernen. Und du? Wolltest du erst warten, ob die Sache mit deinem Vater anhält?«
Kate lächelte müde. »Wenn ich sie richtig verstanden habe, hat sie sein Leben durch Mund-zu-Mund-Beatmung gerettet.«
Marjories Blick wich Kates Augen nicht aus. »Davon haben die Medien nichts berichtet. Was lernen wir daraus? Dass man den Charakter eines Musikvideo-Stars nicht nach seiner Arbeit beurteilen sollte.«
Der Robotserver brachte das Bier und ihr Essen und fragte, ob alles in Ordnung sei. Beim ersten Biss in die Nudeln lief Kate sofort das Wasser im Mund zusammen. Heißhunger überfiel sie. Das Krankenhaus schien Welten entfernt und ihres Vaters Wunsch nur ein schlechter Traum zu sein. Marjorie war eine so vernünftige, praktisch denkende Person. Obwohl sie unermüdlich an enorm anstrengenden kreativen Projekten arbeitete, hatte Kate sie in den zehn Jahren, die sie sich inzwischen kannten, noch nie gestresst erlebt. Die ganze Sache mit ihrem Vater für Marjorie in Worte zu kleiden, verlangte eine gelassene, ausgewogene Perspektive auf die Dinge, denn dies war, wie Kate wusste, die einzige Perspektive, auf die Marjorie reagieren würde. Während sie aßen, erwog Kate, Marjorie alles zu erzählen, was sie wusste. Sie versuchte sich vorzustellen, welche Worte sie benutzen würde, versuchte sich ruhig und gelassen dabei zu fühlen. Aber sie fühlte sich nur betäubt, erschöpft und den Tränen nahe. Was in ihr vorging, konnte sie Marjorie nicht erklären, jedenfalls im Moment nicht. Und so aßen sie, tranken Wasser und machten sich noch einmal frisch, bevor sie ins Krankenhaus zurückfuhren, zum verkabelten, immer noch bewusstlosen Körper von Kates Vater.
Die Ärzte sagten Kate, dass die Drainage zu dem Hämatom das Leben ihres Vaters gerettet hätte. Dennoch war das Hauptproblem nicht beseitigt – das Ödem. Nur zu bald
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