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Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Titel: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Proust
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paßt.«
    »Sie wollten mit mir über etwas reden, Monsieur?«
    »Ach ja, richtig, ich wollte Ihnen gewisse Dinge sagen, aber ich weiß nicht recht, ob ich es wirklich tun soll. Ich bin zwar überzeugt, daß sie Ihnen unschätzbare Möglichkeiten eröffnen könnten. Doch ahne ich auch, daß das Ganze in meinem Alter, wo man anfängt, auf Ruhe Wert zu legen, viel Zeitverlust und Störungen aller Art in mein Leben trüge. Nun, ich frage mich, ob es sich bei Ihnen lohnt, daß ich mir um Ihretwillen all diese Mühe mache, und ich habe nicht das Vergnügen, Sie genügend zu kennen, um das zu entscheiden. Vielleicht verlangt es Sie auch nicht genug nach dem, was ich für Sie tun könnte, als daß ich mir deswegen so viele Ungelegenheiten mache, denn ich sage Ihnen noch einmal ganz offen, Monsieur, für mich kann es sich dabei wahrscheinlich nur um Ungelegenheiten handeln.«
    Ich wandte lebhaft ein, daß er unter diesen Umständen nicht daran denken dürfe. Dieser Abbruch der Unterhandlungen schien jedoch nicht nach seinem Geschmack.
    »Solche höflichen Redensarten haben keinen Sinn«, erklärte er in hartem Ton. »Es gibt nichts Angenehmeres,als sich für einen Menschen Ungelegenheiten zu machen, um den es sich lohnt. Für die Besten unter uns sind Beschäftigung mit Kunstdingen, Stöbern in Antiquitätengeschäften, Sammlungen, Gärten nichts als Ersatz, Notbehelf, Alibis. Wir sitzen in unserem Faß und verlangen wie Diogenes nach einem Menschen. 1 Wir ziehen Begonien, schneiden Taxus, weil wir nichts Besseres haben und der Taxus und die Begonien es sich gefallen lassen. Lieber aber würden wir unsere Zeit einem menschlichen Bäumchen widmen, wenn wir sicher wären, daß es die Mühe lohnt. Das einzig ist die Frage; Sie müssen sich ja selbst einigermaßen kennen! Lohnen Sie die Mühe oder nicht?«
    »Um nichts in der Welt, Monsieur, möchte ich Ihnen Anlaß zu Verdruß geben«, sagte ich zu ihm, »und was mich betrifft, so glauben Sie mir, daß alles, was von Ihnen kommt, mir größtes Vergnügen bereiten wird. Es bewegt mich zutiefst, daß Sie in dieser Weise mir Ihre Aufmerksamkeit widmen und mir nützlich sein wollen.«
    Zu meinem großen Erstaunen dankte er mir für diese Worte nahezu überschwenglich. Mit jener intermittierenden Vertraulichkeit, die mir schon in Balbec aufgefallen war und mit der Härte seines Tons im Gegensatz stand, hakte er sich bei mir ein und sagte:
    »Mit der Unbedachtheit Ihres Lebensalters könnten Sie manchmal Worte vorbringen, die imstande wären, einen unüberbrückbaren Abgrund zwischen uns aufzureißen. Die aber, die Sie soeben gesprochen haben, sind von der Art, daß sie mich bewegen und veranlassen können, viel für Sie zu tun.«
    Während er Arm in Arm mit mir weiterging und mir diese Worte sagte, die, wiewohl mit Verachtung gemischt, doch äußerst liebevoll waren, heftete Charlus seine Blicke bald mit jener intensiven Starrheit, jener bohrenden Härte auf mich, die mir am ersten Vormittag,als ich ihn vor dem Kasino in Balbec bemerkt hatte, aufgefallen waren, ja sogar schon viele Jahre zuvor, als ich ihn im Park von Tansonville bei dem rosigen Weißdorn neben Madame Swann hatte stehen sehen, die ich damals für seine Mätresse hielt; bald ließ er sie umherschweifen und prüfend an den zu dieser Stunde geringer Inanspruchnahme in großer Zahl vorüberkommenden Droschken haften, und zwar mit solcher Eindringlichkeit, daß mehrere hielten, weil der Kutscher glaubte, man wolle bei ihm einsteigen. Doch Charlus schickte sie gleich wieder fort.
    »Von denen ist keiner, was ich will«, sagte er, »es ist eine Frage der Laternen, also der Stadtgegend, wohin sie wieder zurückfahren. Ich wünschte, Monsieur, Sie täuschten sich nicht über den völlig selbstlosen und wohltätigen Charakter des Vorschlags, den ich Ihnen machen will.«
    Noch mehr als in Balbec fiel mir auf, wie sehr seine Redeweise der Swanns ähnlich war.
    »Sie sind intelligent genug, vermute ich, nicht etwa anzunehmen, daß ich ihn aus ›Beziehungsmangel‹, aus Furcht vor Einsamkeit oder aus Langeweile mache. Von meiner Familie muß ich nicht sprechen, denn es scheint mir, daß ein Bursche in Ihrem Alter, der dem« (und er betonte das Wort mit Genugtuung) »Kleinbürgertum angehört, die Geschichte Frankreichs kennen sollte. Es sind die Leute aus meinen Kreisen, die nichts lesen und unwissend sind wie die Lakaien. Einst wurden nur adligste Herren als Kammerdiener des Königs zugelassen; heute sind die adligsten Herren

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