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Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit

Titel: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit - Proust, M: Auf der Suche nach der verlorenen Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Proust
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so wie gewisse Rosendüfte in feuchter Abendluft die Eigenschaft haben, die Nasenflügel zu weiten. Vielleicht war es, weil er von Musik nichts verstand, daß er einen so unklaren Eindruck haben konnte, einen jener Eindrücke jedoch, die vielleicht die einzigen rein musikalischen sind, da sie an keine Dimension gebunden, völlig ursprünglich und auf keine andere Kategorie von Sinneseindrücken zurückführbar sind. Ein Eindruck dieser Art ist einen Augenblick lang sozusagen »sine materia«. 3 Zweifellos neigen die einzelnen Töne, die wir hören, je nach Höhe und Stärke dazu, vor unseren Augen Flächen von verschiedener Größe zu bedecken, Arabesken zu beschreiben, Empfindungen von Breite, Schmalheit, Massivität oder spielerischer Leichtigkeit zu vermitteln. Doch die Töne sind schon verrauscht, bevor noch die Empfindungen in uns so deutlich geworden sind, daß sie nicht von denen überflutet würden, die aus den folgenden oder sogar schon zu gleicher Zeit erklingenden entstehen. Und dieser Eindruckwürde auch weiterhin mit seinem Fließen und seinen »Abtönungen« die Motive umhüllen, die sich für Augenblicke und kaum sichtbar darüber erheben, um gleich wieder unterzutauchen und darin zu verschwinden, spürbar nur durch die ganz eigene Art von Glück, mit dem sie uns beschenken, unmöglich jedoch zu beschreiben oder zurückzurufen, zu benennen, ganz unsäglich mithin – wenn nicht das Gedächtnis, wie ein Arbeiter, der inmitten der Flut ein dauerhaftes Fundament zu errichten sucht, indem es für uns von diesen flüchtigen Takten ein Faksimile herstellt, es uns ermöglichen würde, sie mit den darauffolgenden zu vergleichen und von ihnen zu unterscheiden. So war auch kaum für Swann der bezaubernde Eindruck vorbei, als sein Gedächtnis auf der Stelle eine summarische und vorläufige Transkription davon vorgenommen hatte, auf die er einen Blick werfen konnte, während das Stück weiterging, so daß der gleiche Eindruck, als er plötzlich wiederkehrte, schon nicht mehr ungreifbar war. Er hielt ihn sich jetzt in seiner Dauer, seiner Symmetrie, gleichsam graphisch dargestellt, in seinem Ausdruckswert vor und hatte damit schon etwas an der Hand, was nicht mehr reine Musik war, sondern Zeichnung, Architektur, etwas Gedankliches, mit dessen Hilfe es möglich ist, sich an Musik zu erinnern. Diesmal hatte er deutlich ein Thema herausgehört, das sich für Augenblicke aus dem Klanggewoge erhob. Es hatte ihm sogleich besondere Wonnen in Aussicht gestellt, von denen er, bis er es hörte, nie etwas geahnt hatte, von denen er auch spürte, daß nur es allein sie ihm würde vermitteln können; er empfand denn auch ihm gegenüber etwas wie eine neuartige Liebe.
    In langsamem Rhythmus führte es ihn erst hier, dann dort, dann anderswo einem edlen, unbegreiflichen und doch deutlich bewußten Glück entgegen. Auf einmalaber, an einem bestimmten Punkt angekommen, von dem aus er ihm gerade weiter folgen wollte, wechselte es nach sekundenlangem Zögern jäh die Richtung, und in einer neuen, rasch vorwärtsdrängenden, melancholischen, unermüdlichen, leisen Gangart eilte es ihm voraus, unbekannten Aussichten entgegen. Dann verschwand es ganz. Er wünschte sich leidenschaftlich, ihm noch ein drittes Mal zu begegnen. Und es tauchte auch wirklich wieder auf, doch ohne deutlicher zu ihm zu reden, ja vielleicht sogar, ohne daß es ihm so tiefe Wonne schenkte wie zuvor. Zu Hause angekommen aber hatte er auch weiterhin das größte Verlangen danach verspürt, er war wie ein Mann, dessen Leben eine Vorübergehende, die er nur kurz gesehen hat, mit der Vorstellung von einer neuen Schönheit beschenkt, die seine Empfindungsf ähigkeit bereichert, ohne daß er auch nur weiß, ob er die, die er nun schon liebt und deren Namen er nicht einmal kennt, je wiedersehen wird.
    Diese Liebe zu einem musikalischen Thema schien in Swann sogar einen Augenblick lang eine Art von Verjüngung bewirken zu können. So lange schon hatte er darauf verzichtet, sein Leben auf ein ideales Ziel zu richten, hatte es vielmehr so ganz auf eine Abfolge von täglich sich erneuernden Befriedigungen abgestellt, daß er, ohne es sich jemals ausdrücklich zu sagen, die Meinung hegte, es werde bis zu seinem Ende immer so weitergehen; ja mehr noch: da er sich im Geiste nicht mehr mit großen Gedanken beschäftigte, hatte er aufgehört, an ihre Realität zu glauben, ohne daß er diese geradezu leugnete. So hatte er die Gewohnheit angenommen, sich in nichtssagende Gedanken

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