Auf der Suche nach Tony McKay
sind.
Es hupt draußen auf der Straße. Wir gucken zum Fenster hinaus. Rosa winkt aus Harrys altem Mercedes zu uns herauf.
2.Teil – Unterwegs
Autobahn
Harrys Mercedes schaukelt uns auf der A1 gen Süden. Wir haben die Baustellen rund um Bremen hinter uns gelassen und kommen gut voran. Heiko sitzt hinten, hält wieder seine Ellbogen fest umklammert und starrt aus dem Fenster. Die Gegend hier ist wohl noch unattraktiver als das platte Land südlich der dänischen Grenze. Aber wenigstens ist es nicht ganz so nebelig.
Britta schläft an das Seitenfenster gelehnt mit offenem Mund.
‘Und deine Mutter lebt wirklich in den USA?’ fragt Rosa.
‘Ja, schon seit bald 20 Jahren. Sie hat damals einen Soldaten kennen gelernt, der irgendwo in der Nähe ein Atomwaffenlager bewachte. Na ja, sie war geschieden und dann kam eins zum anderen.’
‘Warum hat sie dich nicht mitgenommen, als sie rübergegangen ist?’
‘Ich weiß auch nicht. Zuerst war die Rede davon, aber dann gab es irgendwelche Schwierigkeiten.’
‘Wollte dein Vater nicht, dass du gehst?’
Ich kann mir ein ironisches Grinsen nicht verkneifen.
‘Dem hätte das egaler kaum sein können. Nee, der lebte damals schon mit seiner neuen Frau und neuem Kind in einer Doppelhaushälfte in der Nähe von Kiel. Meine Mutter und ich waren für ihn eine permanente Erinnerung daran, dass sein Leben nicht so gerade verlaufen ist, wie er sich das vorgestellt hat. Wenn es irgend möglich gewesen wäre, dann hätte der uns aus seiner Biographie raus redigiert. Wir passten nicht in sein Weltbild. Meine Mutter musste den immer regelrecht anbetteln, dass er mal zu meinem Geburtstag vorbeikam.’
Rosa guckt aus dem Fenster und nickt, vermutlich kommt ihr die Geschichte bekannt vor.
‘Und wo hast du dann gewohnt, nachdem deine Mutter weg war?’
‘Bei meiner Oma. Die war auch nicht glücklich über das Arrangement, aber konnte schlecht nein sagen. Sie hat hinterher nie mehr groß mit meiner Mutter geredet, und wenn sie mal angerufen hat, dann hat sie den Hörer meist wortlos an mich weitergereicht und sich vor den Fernseher gesetzt.’
‘Hättest du nicht lieber bei deiner Mutter dort drüben gelebt? Wenn man mich als Teenager vor die Wahl gestellt hätte, die US of A oder H., ich wär so schnell weg gewesen, du hättest nur noch `ne Staubwolke gesehen.’
‘Zuerst nicht. Als Kind akzeptierst du viel leichter was passiert und stellst nichts in Frage. Die Dinge sind so wie sie sind, fertig. Erst habe ich mit meiner Mutter und meinem Vater gewohnt, dann allein mit meiner Mutter und dann bei meiner Oma. So war das eben. Später als ich älter wurde, da habe ich schon manchmal gedacht, dass es cool wäre, wenn ich rüber gehen könnte. Hab’ oft davon geträumt, dass sie eines Tages vor der Tür steht, zwei Flugtickets in der Hand und mich mitnimmt. Aber zu dem Zeitpunkt, da war der Kontakt schon ziemlich abgerissen, zum Geburtstag eine Postkarte, das war alles. Die Beziehung zu dem Soldaten ging irgendwann in die Brüche und ich glaube meine Ma hatte das etliche Jahre ziemlich schwer.’
‘Warum ist sie dann nicht wieder zurückgekommen?’
‘Keine Ahnung. Sie ist aber dort geblieben, hat sich einen Job gesucht, ich weiß auch nicht. Vor einigen Jahren, so kurz nachdem ich wieder nach H. zurückgezogen bin, hat sie mir ein email geschickt.’
‘Woher hatte sie denn deine Adresse? Bist du sicher dass es deine Mutter war?’
Rosa wittert hinter allem eine Verschwörung. Aber ich schätze die Frage ist berechtigt.
‘Keine Ahnung, aber irgendwie muss sie daran gekommen sein. Eher nicht von meiner Oma, denn die hat zu Lebzeiten keinen Computer besessen, geschweige denn eine email-Adresse. Wie dem auch sei, sie hat kurz danach sogar angerufen, aber obwohl ich ihre Stimme gut zehn Jahre nicht gehört hatte, habe ich sie sofort erkannt. Seitdem telefonieren wir ein paar Mal im Jahr. Sie hat gesagt, dass ich sie besuchen kommen soll, aber ich hatte bisher nie das Geld.’
Ich muss lächeln. ‘Wenn wir sowieso nach Tony suchen, kann ich vielleicht einen Abstecher zu ihr machen. Wäre irgendwie cool.’
Rosa nickt wieder vor sich hin.
‘Und frag’ sie, warum sie dich im Stich gelassen hat...’
‘Hm, durch die Phase bin ich durch. Als ich so siebzehn, achtzehn war, da war ich echt wütend auf sie und hatte jede Menge Fragen. Aber im Laufe der Jahre nutzt sich die Wut irgendwo ab, alles wird letztendlich gleichgültig. Verstehst du was ich meine? Was
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