Auf der Suche nach Tony McKay
macht es jetzt für mich für einen Unterschied, warum sie allein weggegangen ist?’
Rosa guckt nachdenklich. ‘Vielleicht hast du Recht. Aber trotzdem, man lässt doch nicht sein Kind einfach zurück, um mit irgendeinem Typen durchzubrennen. Ich weiß, dass ich das nie tun würde.’
Dann kramt sie in einer Plastiktüte nach den Croissants, die wir an einer Raststätte kurz hinter Hamburg gekauft haben.
‘Auch eins?’
‘Nee danke, bin ok im Moment.’
Rosa dreht sich nach hinten zu Heiko um, ‘Croissant?’
Ich gucke in den Rückspiegel und sehe ihn stumm den Kopf schütteln. Er hat noch nicht ein Wort gesagt, seitdem er ins Auto gestiegen ist. Kein Wunder, er lässt mehr zurück, als wir anderen. Selbst Rosa schluckte, als Heiko schließlich seiner Mutter das Paulchen in den Arm drückte.
‘Da, auf der Gegenfahrbahn, siehst du?’ fragt Rosa.
‘Nummer fünf, wenn du das aus Neumünster mitrechnest,’ sage ich zu Rosa.
‘Da dieses hier von Süden kam, kann es nicht das sein, das wir in Harburg überholt haben. Ob jede Filiale so eines hat, oder ob es nur zwei oder drei gibt, die permanent Werbung durch die Gegend fahren?’
‘Schwer zu sagen. Eigentlich brauchen die ja in der Kaffee-Branche keine Autos, die liefern, also nicht so wie bei einer Pizzeria, die auch Pizza ins Haus liefert. Das wäre ja irgendwie absurd, wo jeder zuhause eine Kaffeemaschine hat.’
‘Dann sind die vielleicht so ähnlich wie die Autos, die der BND mit Neumünsteraner Kennzeichen durch die Gegend fahren lässt.’ Rosa nutzt die Tatsache, dass Britta auf dem Rücksitz schläft und keinen Einspruch erheben kann.
‘Ich schätze, da steckt noch mehr dahinter. Oder weniger, je nachdem. Entweder ist die Erklärung total simpel, oder die CIA ist mit im Spiel,’ überlege ich und grinse Rosa an – ich weiß wie sehr sie eine gute Verschwörungstheorie liebt.
‘Hm, interessant. Das könnte bedeuten, dass die USA in den Ländern, in denen sie nicht militärisch intervenieren – und mal ernsthaft, das werden immer weniger – eine andere Form der Intervention praktizieren. Zum Beispiel eben eine Art kultureller Intervention, indem die uns hier ihre Fastfood-Ketten und Kaffeehäuser rüberschicken. Und dass alles ist dann in Wirklichkeit weniger das Resultat eines freien Marktes, als ein geplantes Langzeit-Projekt der CIA,’ Rosas Augen werden zu kleinen Schlitzen und sie ist sichtlich zufrieden mit diesem Gedanken. ‘Die assimilieren uns nicht mit Waffengewalt, sondern indem sie uns zwingen, ihren Kram zu essen und zu trinken, und ihre Fernsehprogramme zu sehen, bis jeglicher Widerstand gebrochen ist.’
‘Das könnte erklären warum es, abgesehen von Hilde, Dieter und einigen Rentnern im Osten, hier eigentlich keinen richtigen Widerstand mehr gibt. Alle schon zu sehr assimiliert.’
Wir denken ein paar Ausfahrten lang über das Gesagte nach.
‘Aber was ist dann mit uns?’ sagt Heiko plötzlich von hinten, ‘wie kommt es, dass wir anders denken?’
‘Keine Ahnung,’ sage ich, ‘vielleicht macht einen Erfolglosigkeit irgendwie immun gegen die Botschaft vom amerikanischen Traum, so ähnlich wie früher auf dem Schulhof, wenn die anderen dich nicht mitspielen lassen wollten. Da gehst du dann auch irgendwann weg und sagst dir und allen anderen, die es hören wollen oder nicht, dass du so was Blödes sowieso nicht spielen wolltest.’
Abgesehen von Britta vielleicht, die ziemlich populär war in der Schule, dürfte das Heiko, Rosa und mich recht genau beschreiben. Irgendwo am Rand, nicht cool genug für die Anführer und Meinungsbilder, bemüht in unserer Außenseiterrolle nicht aufzufallen.
‘Hm, stimmt. Aber bedeutet das, dass wenn wir erfolgreicher wären, wir auch die ganze Botschaft kauften und Pappbecher von CoffeeAllstars mit uns durch die Gegend trügen?’
‘Wer weiß,’ sage ich, ‘psychologisch gesehen funktioniert das wohl so.’
‘Da wir gerade beim Thema sind: ich könnte jetzt gut einen Kaffee vertragen,’ meint Rosa, ‘wie sieht’s mit euch aus?’
‘Ich fahr’ auf die nächste Raststätte, bei der Gelegenheit können wir auch Fahrerwechsel machen.’ Ich habe bemerkt wie meine Aufmerksamkeit in der letzten halben Stunde nachgelassen hat – und wenn wir schon alle unser Ende auf der Autobahn finden, dann lieber nicht auf der A1 irgendwo hinter Bremen, sondern an einem aufregenderen Ort, wie zum Beispiel auf der Küstenstrasse von Alaska nach Feuerland. Das wäre doch mal ein
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