Auf die feine Art
ordentliche Dosis Beruhigungsmittel gekriegt. Moment mal, ich ruf im Zellentrakt an.«
Der Wärter bestätigte, dass Kimmo schlief, und ich hielt es für das Beste, ihn in Ruhe zu lassen. Der Bericht des Diensthabenden klang Besorgnis erregend, aber am Abend konnte ich den Vorfall immer noch zur Sprache bringen.
Vor dem Polizeigebäude holte ich Eki gerade noch ein. Wir luden mein Fahrrad in seinen Volvo-Kombi und fuhren nach Nord-Tapiola. Ekis Kanzlei befand sich in seinem Einfamilienhaus in einer ruhigen Wohngegend. Beim Einstellungsgespräch hatte ich mich gefragt, ob sich potenzielle Mandanten überhaupt so weit an die Peripherie verirrten, aber meine Zweifel waren unbegründet. Henttonens Viermannkanzlei hatte einen festen Stamm von Mandanten, für die Eki und seine Mitarbeiter Testamente und Nachlassaufstellungen aufsetzten, Scheidungen und Konkurse erledigten. Die meisten Mandanten wohnten in Tapiola oder der näheren Umgebung. Sie kannten Ekis eigenwillige Arbeitsweise und vertrauten ihm.
In Henttonens Kanzlei gab es keine Stechkarten. Schon in den ersten Wochen war mir klar geworden, dass alle pausenlos schufteten, wenn es etwas zu tun gab, und zu Hause blieben, wenn es ruhiger war. Mir war das recht.
Eki, Mara Jaatinen und Albert Gripenberg bildeten ein Team. Jaatinen und Gripenberg waren jeweils mit einem Anteil von fünf Prozent an der Kanzlei beteiligt. Beim Einstellungsgespräch hatten sie mir gesagt, sie suchten ausdrücklich eine Frau als Ergänzung des Teams.
»Ich stehe weder als Kaffeeköchin noch als Animierdame für die Mandanten zur Verfügung«, erklärte ich schroff. Die drei Männer schmunzelten.
»Fürs Kaffeekochen haben wir Annikki, unsere Sekretärin, und was unsere Mandanten betrifft, die muss jeder von uns gelegentlich bei Laune halten. Wir haben uns nur überlegt, weil man doch heute bei jeder Gelegenheit von der weiblichen Perspektive redet, sollten wir die in unserem Team vielleicht auch haben.«
Die Begründung klang so spaßig, dass die Kanzlei mich tatsächlich zu interessieren begann. Gleichzeitig fanden die Herren auch an mir Gefallen. Das merkte ich, und so war ich nicht allzu überrascht, als Eki am nächsten Tag anrief und fragte, wann ich anfangen könnte.
Ungeachtet der großen Reden, die ich damals geschwungen hatte, schaltete ich die Kaffeemaschine ein, als wir das Konferenzzimmer betraten. Eki ging Kuchen holen, ich hörte den Anrufbeantworter ab, nahm das Telefonbuch zur Hand und suchte Dr. Hellströms Nummer heraus.
Eki war der größte Süßschnabel, der mir je begegnet war, ständig futterte er Kuchen oder Schokolade; jetzt kam er mit einem Hefezopf zurück. Trotz dieser Leidenschaft war sein Bauchansatz nicht allzu ausgeprägt. Seine beginnende Glatze verbarg er, indem er die Seitenhaare geschickt darüber kämmte. Allerdings wirkte Eki stets ein wenig schmuddelig: Die Anzüge waren auf den Schultern immer von Schuppen gesprenkelt, sein Gesicht war eine Spur zu rot, die Stimme laut und unkultiviert. Vielleicht hatten die Leute gerade deshalb Vertrauen zu ihm, weil er nicht so geschniegelt daherkam wie die meisten Juristen.
Wir besprachen die Situation beim Kaffee. Eki schob sich das vierte Stück Hefezopf in den Mund und sagte nachdenklich:
»Ich denke, es kommt auf den Richter an, ob er die Beweise für hinlänglich hält und einen Haftbefehl ausstellt. Du meinst, sie reichen nicht aus.«
»Ja, aber das liegt zum Teil auch daran, dass ich Kimmo kenne. Er ist einfach nicht der Typ für einen Mord.«
»Es hat natürlich seine Vorteile, wenn du an die Unschuld deines Mandanten glaubst. Ich bin mir da nicht so sicher. Wie gut kennst du die Hänninens? Ich hab ziemlich viel mit Sanna zu tun gehabt. Zweimal war sie wegen Trunkenheit am Steuer angeklagt, einige Male musste ich sie aus der Ausnüchterungszelle holen, dann kam eine Anklage wegen Besitz von Haschisch. Ich hab mich ganz schön ins Zeug legen müssen, damit sie nicht im Gefängnis landet. Und als sie dann gestorben ist, da wäre beinahe der junge Ruosteenoja drangewesen. Das war eine schlimme Sache, Annamari Hänninen war völlig hysterisch und hat Markku bezichtigt, Sanna ermordet zu haben, und der Junge hat sich ganz verrückt gemacht mit seinen Schuldgefühlen, weil er zu betrunken gewesen war, um überhaupt mitzubekommen, dass Sanna ins Meer ging. Für Kimmo war das alles genauso furchtbar, ohne Armi wäre er sicher nicht darüber hinweggekommen, und Annamari war monatelang
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