Auf die Freundschaft!
(oder wahlweise mit einer Tasse Glühwein) auf der Couch sitze und in eine Decke eingewickelt ein Buch lese. Dazu läuft dann leise Musik im Hintergrund, vorzugsweise klassische, und am Heiligen Abend trifft man sich mit seinen Liebsten, um ihnen Geschenke zu überreichen.
Die letzten Jahre hatten wir Weihnachten immer am ersten Weihnachtsfeiertag begangen, wie es in den USA üblich ist. In den USA war alles größer und kitschiger: Der Baum ragte bis an die Decke, Ken hatte das gesamte Haus mit Lichterketten überladen und wir hatten häufig Schnee. Für mich gehörte Weihnachten damals zu der schönsten Zeit im Jahr.
Mike und ich hatten unser Weihnachtsfest bis ins Detail besprochen. Vormittags wollten wir gemeinsam ausgiebig frühstücken, dann wollte Mike zu seiner Freundin „Susie“ fahren. Er sprach ihren Namen immer englisch aus und ich konnte mir vorstellen, wie toll sie das fand. Melanie hatte Mike brühwarm erzählt, dass ich von seiner Freundin wusste und seitdem ging er ganz offen mit dem Thema um. Wenn er nachher weg war, wollte ich zu Lutz fahren. Am Nachmittag stand dann ein Abstecher bei Karin an und abends wollten Mike und ich uns eine kleine Bescherung und einen gemütlichen Abend machen.
Es war zehn Uhr am Vormittag. Ich deckte den Tisch mit einer weihnachtlichen Tischdecke und mit Kerzen, stellte einen Korb mit frischen Brötchen hin und dekorierte sogar den Aufschnitt und den Käse kunstvoll auf einer Glasplatte. Dann weckte ich Mike.
„Frohe Weihnachten, mein Schatz“, sagte ich, als ich in sein Zimmer kam.
„Dir auch, Mom. Frohe Weihnachten.“
Noch im Schlafanzug setzte sich Mike an den Tisch und begann zu essen.
„Lerne ich Susanne eigentlich mal kennen?“, fragte ich unvermittelt. Ich war mir sicher, dass sie ein nettes Mädchen war, aber trotzdem hätte ich es ganz schön gefunden, sie in Wirklichkeit zu treffen. Mike druckste herum.
„Es ist nicht so, dass ich nicht will…“
„Aber?“
„Ach, Mom, unsere Wohnung ist einfach so...so schäbig im Gegensatz zu dem Haus, in dem Susie wohnt!“, platzte er dann doch heraus.
Daher wehte also der Wind.
„Tut mir leid, wenn du dich für unsere kleine Wohnung schämst“, sagte ich, aber ich meinte es nicht so. Ich liebte jeden kleinen Winkel unserer Wohnung heiß und innig.
„So meine ich das nicht. Du wirst sie kennenlernen, okay? Wir sind ja gerade mal drei Wochen zusammen. Ich lade sie für Silvester ein.“
Damit war ich einverstanden.
Als Mike und ich unser Frühstück beendet hatten, machte er sich fertig und verabschiedete sich. Ich zog mich um: Hannah hatte mir empfohlen, mir Dessous zu kaufen und sie als Überraschung unter meinem Mantel zu tragen.
Allerdings traute ich mich nicht, also zog ich zwar die Dessous an, aber darüber trug ich einen Rock und einen Pullover. Ich klingelte, und statt Lutz öffnete mir ein spärlich bekleideter Weihnachtsmann.
„Ho, ho, ho!“, rief dieser und wackelte mit den Hüften. Ich brauchte geschlagene drei Sekunden, um zu begreifen, wer da vor mir stand. Damit hatte ich wirklich nicht gerechnet: Der Direktor des Gymnasiums stand in einer roten Unterhose vor mir, mit einer Weihnachtsmütze als Auswölbung. Außerdem trug er einen roten Weihnachtsmannmantel und auf dem Kopf eine entsprechende Mütze. Wenn ich ihn nicht besser gekannt hätte, hätte ich gedacht, das sei ein Scherz. Offensichtlich dachte Lutz aber, ich fände das erotisch – das jedenfalls schloss ich aus seinem enttäuschten Blick, als ich lachend auf der Stufe zusammenbrach. Es tat mir sehr leid für ihn, den es sicherlich große Überwindung gekostet hatte, sich so vor mir zu präsentieren, aber dieses Outfit sah einfach so peinlich aus, dass ich nicht an mich halten konnte. Die Nachbarn würden gleich in Scharen vorbeikommen, wenn ich nicht zu lachen aufhörte, also versuchte ich, tief durchzuatmen, und krabbelte in das Haus. Lutz setzte eine beleidigte Miene auf und folgte mir mit hochrotem Kopf. Als ich endlich wieder atmen konnte, entschuldigte ich mich für meinen Lachanfall. Meine Entschädigung war ein langer, intensiver Kuss und wir verdrückten uns ins Schlafzimmer.
„Heidewitzka!“, rief Lutz, als ich mich vor ihm entblätterte.
Gut, ich hatte mir die Reihenfolge anders vorgestellt (Gespräch – Bett – zweites Frühstück), aber da lagen wir nun, farblich passend aufeinander abgestimmt in seinem Bett, noch schwer atmend von der Anstrengung, und führten unser
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