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Auf die Ohren

Auf die Ohren

Titel: Auf die Ohren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Till
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Luft.«
    »Gar nicht«, wehrt sie sich. »Ich habe fast eine halbe Bratwurst gegessen und Kartoffelbrei auch und die ganzen Karotten. Und es gibt ja auch noch Nachtisch. Was habt ihr bloß immer mit meinem Essen? Das nervt echt. Ich esse mehr als genug.«
    »… sagte das Möchtegern-Topmodel, bevor es von einer sanften Brise erfasst und von der Brücke geweht wurde«, füge ich hinzu.
    »Was?!«, ruft meine Mutter entsetzt und lässt fast meinen Teller fallen. »Lisa will Model werden?! Tu mir das bitte nicht an, Lisa! Alles, nur nicht das!«
    »Aber Mama, ich …«, versucht Lisa zu erwidern, wird jedoch sofort von Mama unterbrochen.
    »Weißt du denn nicht, was da alles passieren kann?! Die Mädchen werden systematisch kaputt gemacht! Die dürfen überhaupt nichts mehr essen! Die kriegen Drogen statt Kartoffelbrei!«
    Oh Gott, ich sterbe gleich vor unterdrücktem Lachen. Aber ich darf jetzt noch nicht, das ist zu früh, es könnte ja noch besser werden.
    »Mama, ich will doch gar kein …«, nimmt Lisa erneut Anlauf.
    »Ich weiß! Ich weiß, dass du keinen Kartoffelbrei mehr willst! Du willst lieber Model werden! Aber hast du dabei auch nur eine Sekunde lang an deine arme Mutter gedacht?! Ich würde umkommen vor Sorge! Kein Auge würde ich mehr zumachen! Mache ich ja jetzt schon kaum, wenn ich sehe, wie du immer dürrer wirst!«
    »Mama, ich wiege neunundfünfzig Kilo!«, protestiert Lisa. »Das ist über meinem Idealgewicht!«
    »Ja, klar«, sage ich mit einem höhnischen Unterton. »Wenn du in Schlumpfhausen wohnen würdest, vielleicht.«
    »Siehst du?!«, ruft meine Mutter entsetzt. »Dein Bruder findet auch, dass du zu dürr bist! Wieso hörst du denn nicht auf deine Familie? Du musst mehr essen, Kind!«
    Okay, das war’s, ich kann nicht mehr. Lisas verzweifeltes Gesicht ist einfach zu viel. Ich fange lauthals an, mich vor Lachen wegzuschmeißen.
    »Was gibt’s denn da plötzlich zu lachen?«, schimpft meine Mutter. »Das ist nicht lustig, Daniel! Hier geht es um die Gesundheit deiner Schwester! Versteht das denn hier keiner außer mir? Karl, jetzt sag du doch auch mal was!«
    »Lass mich da raus, Ingrid«, sagt mein Vater und kann sich ein Grinsen nur schwer verkneifen. »Es reicht ja wohl, wenn du dich von unserem Sohn veräppeln lässt.«
    »Veräppeln?!«, wiederholt sie aufgebracht. »Wieso denn veräppeln?! Was gibt’s denn da zu veräppeln?!«
    »Ich will doch gar kein Model werden, Mama«, stöhnt Lisa. »Das hat Danny nur gesagt, um mich zu ärgern.«
    »Du willst nicht Model werden?«, fragt meine Mutter verwirrt. »Aber wieso isst du denn dann so wenig?«
    »Ist doch … ganz klar«, sage ich vor Lachen nach Luft schnappend. »Damit das Kotzen nach dem Essen schneller vorbei ist!«
    Das war er, der Tropfen, der Lisa zum Überlaufen bringt.
    »Oh Mann! Ich drehe hier noch mal durch in dieser Familie!«, schreit sie. »Ihr seid doch alle nicht mehr ganz sauber! Wenn das so weitergeht, krieg ich echt noch eine Essstörung!«
    »Was, echt?«, sage ich und klatsche begeistert in die Hände. »Mama! Lisa hat gesagt, ich kann ihren Nachtisch haben.«
    »Kannst du nicht!«, faucht sie mich an. »Ich esse meinen Nachtisch!«
    »Das ist die richtige Einstellung, Lisa«, sagt meine Mutter. »Willst du vorher noch ein bisschen Kartoffelbrei?«
    »Aaaaaaaaaaaah!«, schreit Lisa und rauft sich die Haare. »Das hält doch kein normaler Mensch aus!«
    Sie steht auf, geht an den Kühlschrank und holt eine große Schüssel Schokoladenpudding heraus.
    »So!«, sagt sie. »Den esse ich jetzt! Und zwar ganz allein! Auf meinem Zimmer!«
    Sie schnappt sich noch einen Suppenlöffel aus der Besteckschublade und stapft aus der Küche.
    »Hey, Moment mal!«, protestiere ich. »Das geht doch nicht! Das ist unser Nachtisch! Mama, mach was!«
    »Den Teufel werd ich tun«, erwidert meine Mutter und stellt den Teller vor mir ab. »Ich bin froh, dass sie überhaupt etwas isst. Und du bist schließlich selbst dran schuld. Wer seine Familie veräppelt, muss ohne Nachtisch ins Bett, das war früher schon so. Jetzt iss deinen Kartoffelbrei, und wenn du fertig bist, räumst du den Tisch ab und die Spülmaschine ein.«
    »Nicht nötig«, sage ich mit einem breiten Grinsen. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass Lisa das heute unbedingt machen will.«
    » Ich will aber, dass du das machst«, knurrt meine Mutter. »Und zwar ordentlich. Vergiss nicht, die Teller kurz abzuspülen, bevor du sie in die Spülmaschine stellst. Haben wir uns

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