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Auf die Ohren

Auf die Ohren

Titel: Auf die Ohren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jochen Till
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dich.«
    »Ach, Danny-Boy«, sagt Vinnie kopfschüttelnd, »du wirst es nie kapieren. Freunde, die bleiben – Fotzen vergehen. Hab ich ein Lied drüber geschrieben, wirst du ja gleich hören. Vielleicht raffst du dann mal, was wirklich wichtig ist.«
    »Keine Sorge«, knurre ich ihn an. »Das weiß ich sehr genau. Und jetzt verpiss dich endlich, ich kann dein Scheißgelaber keine Sekunde länger ertragen, ohne dir ins Gesicht zu kotzen.«
    Vinnie lacht kurz verächtlich auf und dreht sich dann von mir weg.
    »Viel Spaß gleich, Jungs!«, ruft er, während er sich langsam von uns entfernt. »Und passt gut auf, dann lernt ihr vielleicht doch noch, wie man’s als Band richtig macht!«
    Wir sehen ihm noch hinterher, er begrüßt ein paar Glatzen vor dem Eingang und verschwindet dann mit ihnen nach drinnen.
    »Was für ein blöder Wichser«, sagt Christopher und spuckt verächtlich auf den Boden.
    »Versteht ihr jetzt, wieso ich nicht unbedingt scharf auf dieses Scheißkonzert war?«, frage ich rein rhetorisch in die Runde. »Und jetzt hab ich noch weniger Bock. Dieses Arschloch ist nicht eine Sekunde meiner Aufmerksamkeit wert. Was haltet ihr davon, wenn wir abhauen und uns irgendwo anders einen wirklich schönen Abend machen?«
    »Und uns die Chance entgehen lassen, diesen Pennern ins Gesicht zu buhen?«, erwidert Steffen. »Ey kommt, jetzt sind wir schon mal hier, jetzt ziehen wir das auch durch.«
    »Eben«, stimmt Robbie ihm zu. »Außerdem haben wir schon bezahlt.«
    Ich schaue Clarissa fragend an.
    »Ich will da rein«, knurrt sie. »Ich will da rein und ihm irgendwas ins Gesicht werfen.«
    »Das ist die richtige Einstellung«, sagt Steffen grinsend.
    »Okay, von mir aus, wenn’s sein muss« seufze ich. »Gib mir bitte noch ein Bier.«
    Zwanzig Minuten später ist die Palette leer und ich bin einigermaßen voll. Ich bin jedenfalls betrunken genug, um da jetzt reinzugehen und mir diesen Mist anzuhören.
    Als wir geschlossen den Raum zum zweiten Mal betreten, ist es wesentlich voller als eine halbe Stunde zuvor. Und es sind wie erwartet hauptsächlich Glatzen im Publikum. Ich versuche durchzuzählen, was gar nicht so einfach ist – diese Pimmelköpfe sehen alle irgendwie gleich aus. Ich komme grob auf vierzig Leute, uns eingeschlossen. Somit steht es schon mal 1:0 für uns, denn bei unserem Konzert letztes Jahr war wesentlich mehr los.
    Wir postieren uns in der hinteren linken Ecke und ziehen natürlich etliche argwöhnische Blicke auf uns – so viele Haare bei einem Glatzenkonzert sind offenbar außergewöhnlich.
    Das Deckenlicht geht aus, drei Scheinwerfer erleuchten die Bühne. Goppel betritt zuerst die Bühne und greift sich den Bass. Gitarrist und Schlagzeuger folgen, Vinnie kommt als Letzter und begrüßt das Publikum mit zwei ausgestreckten Mittelfingern.
    »Jetzt geht’s ab, ihr Fotzen!«, brüllt er ins Mikro. » Das asoziale Gesindel! Direkt in eure Scheißfressen!«
    Ja genau. So macht man das. Erst mal das Publikum beleidigen, Superidee, Vinnie.
    Scheint aber kaum jemanden großartig zu stören. Die einzigen Pfiffe kommen aus unserer Ecke. Der Rest des haarlosen Publikums ist wahrscheinlich einfach zu doof, um zu kapieren, dass er gerade beleidigt wurde.
    Der Schlagzeuger zählt an, Gitarre und Bass setzen beinahe gleichzeitig ein. Was folgt, ist ein krudes, ohrenbetäubendes Geschrammel, das so schnell ist, dass man kaum erkennt, wer jetzt eigentlich das Tempo vorgibt. Plötzlich und völlig neben dem Takt setzt Vinnie ein.
    Wir klauen eure Kohle!
    Wir saufen euch alles weg!
    Wir pöbeln eure Omas an!
    Wir pissen in euren Tank!
    Mein Gott, das ist ja echt noch schlimmer, als ich erwartet hatte. Ich meine, vom abgrundtief beschissenen Inhalt einmal abgesehen – das rumpelt hinten und vorne wie ein schlingernder Umzugslaster. Da stimmt ja so gar nichts. Das einzig Positive daran ist, dass außer mir wahrscheinlich kaum jemand Vinnies genuscheltes Gekreische versteht. Wenn er bei uns schon jede dritte Silbe verschluckt hat, schlingt er jetzt ganze Sätze hinunter.
    Wir ficken eure Schwestern!
    Wir scheißen euch vors Haus!
    Wir schlagen eure Fressen blutig
    und drücken Kippen darin aus!
    Oh, ein Reim! Haus – aus. Nicht, dass es dadurch irgendwie besser würde. Jetzt müsste eigentlich der Refrain kommen.
    Wir sind ganz normal – asozial!
    Ganz normal – asozial!
    Ganz normal – asozial!
    Ganz normal – asozial!
    Das asoziale Gesindel!
    Gesindel! Gesindel! Gesindel!
    Und noch ein Reim.

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