Auf die Ohren
vorsichtshalber morgen gleich röntgen lassen. Wenn du Glück hast, ist es nur verstaucht.«
»Das ist halb so wild, hatte ich auch mal«, sagt Robbie. »In spätestens zwei Wochen ist alles wieder okay.«
»In zwei Wochen?! Sag mal, raffst du noch was?!«, gehe ich wieder in die Luft. »Schon vergessen? Ich bin euer Schlagzeuger, und wir haben nächste Woche den verdammt noch mal wichtigsten Auftritt aller Zeiten! Und meine Hand ist im Arsch! Schon mal einen Schlagzeuger mit einer Hand gesehen?!«
»Oh, nein!«, stöhnt Clarissa entsetzt. »Stimmt ja! Daran hab ich in dem Trubel noch gar nicht gedacht. Und dann ist es auch noch die rechte Hand …«
»Ja, verflucht!«, jammere ich und mir steigen Tränen in die Augen. »So kann ich auf keinen Fall spielen.«
»Jetzt wart’s doch erst mal ab«, versucht Clarissa mich zu trösten. »Vielleicht ist es ja morgen schon besser.«
»Und was, wenn nicht?«, frage ich niedergeschlagen.
»Ach, das wird schon«, sagt Robbie aufmunternd. »Irgendwie kriegst du das schon hin. Spielt der Drummer von Def Leppard seit diesem Autounfall nicht auch mit nur einem Arm?«
»Ja«, knurre ich ihn an. »Aber erstens hat er seinen linken Arm verloren und zweitens hatte er mit Sicherheit mehr als nur eine Woche Zeit, um das zu üben.«
»Oh fuck«, seufzt Christopher. »Wir sind im Arsch.«
»Allerdings«, stimme ich ihm zu. »Das kannst du laut sagen.«
Das war’s dann wohl mit der möglichen Rockstarkarriere. Wenn wir das Konzert absagen müssen, können wir den Sony-Typ mit Sicherheit vergessen. Die sind da knallhart. Mehr als eine Chance geben die einem nicht. Verfluchte Scheiße, verdammte! Das darf doch alles nicht wahr sein!
13.
»Was ist doppelt so schlimm wie ein Schlagzeuger?«, fragt Robbie grinsend.
»Zwei Schlagzeuger?«, rät Steffen.
»Ein einhändiger Schlagzeuger!«, brüllt Robbie und schlägt sich laut lachend auf die Schenkel.
»Ha, ha. Sehr witzig«, knurre ich. »Ich möchte dich mal sehen, wenn du nur mit einer Hand spielen kannst.«
»Ey, ist doch nur Spaß, mach dich locker«, sagt Robbie.
»Ach so, das ist nur Spaß«, erwidere ich gereizt. »Und wenn meine Hand bis zum Auftritt nicht besser wird, ist das dann auch nur Spaß?«
»Aber der Arzt hat doch gesagt, dass es nicht so schlimm ist, oder?«, fragt Christopher besorgt.
Nicht ganz. Der Arzt, bei dem ich gestern war, hat gesagt, dass die Hand verstaucht ist, und dass ich, wenn ich sie absolut schone, eventuell beim Auftritt wieder beidhändig werde spielen können. Eventuell. Keine Garantie. Das Damoklesschwert der möglichen Absage schwebt also nach wie vor über uns. Und unser ungemein unsensibler zweiter Gitarrist hat nichts Besseres zu tun, als blöde Witze über meinen Zustand zu reißen. Ich meine, er soll doch froh sein, dass ich überhaupt hier bin und alles versuche, damit die Proben nicht meinetwegen ausfallen müssen.
»Nicht so schlimm, aber deswegen noch lang nicht gut«, beantworte ich Christophers Frage.
»Tut’s denn wieder weh?«, will Clarissa wissen.
»Nur, wenn ich sie bewege«, seufze ich.
»Hast du die Salbe aufgetragen, wie’s der Arzt gesagt hat?«, hakt sie nach.
»Ja, schon dreimal heute«, antworte ich leicht genervt. »Aber davon, dass wir hier die ganze Zeit drüber quatschen, wird’s bestimmt nicht besser. Kommt, lasst uns was spielen.«
»Denkst du echt, du kriegst das hin mit einer Hand?«, fragt Christopher.
»Wird schon irgendwie gehen«, sage ich. »Ich lass das Hi-Hat weg und halte die Breaks ganz simpel. Erwartet aber nicht zu viel. Wenn ich irgendwelche Aussetzer habe, lasst euch davon nicht irritieren, einfach weiterspielen.«
»Okay«, sagt Christopher. »Womit willst du anfangen?«
»Egal, wir müssen eh alle spielen«, sage ich.
» Ugly Ulli?«, schlägt Steffen vor.
»Uff!«, stöhne ich. »Gleich das Schnellste am Anfang? Aber okay, von mir aus, keine Schonung für den Einarmigen!«
Ich will wie gewohnt die Sticks zum Anzählen aufeinanderkrachen lassen, stelle aber frustriert fest, dass ich nur einen in der Hand habe. Okay, dann eben ohne Sticks.
»Eins! Zwei! Drei! Vier!«
Christopher fängt an – wesentlich langsamer, als ich angezählt habe, wahrscheinlich absichtlich, um es mir leichter zu machen.
»Keine Schonung, hab ich gesagt!«, rufe ich ihm zu. »Schneller!«
Christopher zieht das Tempo an, Robbie steigt ein, nach dem zweiten Durchgang kommen Steffen und ich dazu. Ich treffe meinen Einsatz und fange an zu spielen.
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