Auf doppelter Spur
jovial.
»Inspektor Hardcastle? Kommen Sie doch gleich mit hinein.«
Er führte sie in das Wohnzimmer, dessen Einrichtung vom Wohlstand seines Bewohners zeugte.
»Setzen Sie sich bitte«, sagte Mr Bland. »Rauchen Sie? Oder nur, wenn Sie nicht im Dienst sind?«
Hardcastle lehnte dankend ab.
»Auch nichts zu trinken, nehme ich an? Vermutlich auch besser – für uns beide«, meinte Mr Bland. »Worum geht es also? Wohl die Geschichte in Nr. 19? Die Ecken unserer Gärten stoßen zwar aneinander, aber wir haben eigentlich keinen rechten Blick hinüber, es sei denn, von den Fenstern oben. Scheint eine merkwürdige Geschichte zu sein – freue mich, Gelegenheit zu haben, ein paar Tatsachen zu hören. Sie haben keine Ahnung, was für Gerüchte umgehen! Meine Frau ist ganz nervös bei dem Gedanken, dass ein Mörder frei herumläuft. Das Schlimme ist, dass sie heutzutage all die Verrückten aus den Anstalten entlassen. Ja – und die Gerüchte!!! Der Milchmann sagte mir, der Mann sei mit Bilderdraht erdrosselt worden, der Zeitungsmann meinte… Aber die alte Dame war es doch wohl nicht, oder? Ein unbekannter Mann, berichteten die Zeitungen, soll umgebracht worden sein!«
Endlich gelang es dem geduldig lächelnden Hardcastle, zu Wort zu kommen.
»Nun, was das ›unbekannt‹ anbelangt – er hatte eine Karte mit einer Adresse in der Tasche. Da wir gerade über das Opfer sprechen – vielleicht sehen Sie sich das einmal an?«
Wieder zeigte er das Polizeifoto.
»Das ist er also, nicht?«, sagte Bland. »Sieht aus wie ein Durchschnittsbürger, nicht? So wie Sie und ich. Man darf wohl nicht fragen, ob ein besonderer Grund vorlag, dass er ermordet wurde?«
»Es ist noch zu früh, darüber zu sprechen. Ich wollte gern von Ihnen, Mr Bland, wissen, ob Sie diesen Mann je zuvor gesehen haben.«
Bland schüttelte den Kopf.
»Bestimmt nicht. Ich habe ein gutes Gedächtnis für Gesichter.«
»Er hat Sie nicht unter einem Vorwand aufgesucht – wollte etwas verkaufen, eine Versicherung…?«
»Nein, nein. Ganz bestimmt nicht.«
»Vielleicht sollten wir Ihre Frau mal fragen. Schließlich hätte er ja sie angetroffen, falls er hierherkam«, schlug Hardcastle vor.
»Ja, das ist richtig. Ich weiß allerdings nicht, ob… Valerie geht es gesundheitlich nicht besonders, wissen Sie. Ich möchte sie nicht aufregen… das Bild ist wohl aufgenommen, als er tot war?«
»Hast du von mir gesprochen, Josaiah?«
Die Tür vom Nebenraum wurde aufgestoßen, und eine Frau mittleren Alters trat ein. Hardcastle kam zu dem Schluss, dass sie hinter der Tür gehorcht haben musste.
»Ah, da bist du ja. Ich dachte, du schliefst noch! Das ist meine Frau – Inspektor Hardcastle.«
»Dieser schreckliche Mord!«, murmelte Mrs Bland und setzte sich gehorsam aufs Sofa. Sie sah blutarm aus und hatte all die Allüren einer Kranken, die ihren Zustand durchaus genießt. Sie erinnerte Hardcastle an jemanden, den er erst kürzlich gesprochen hatte, es fiel ihm aber nicht ein, an wen. Sie fuhr mit ihrer dünnen, leicht klagenden Stimme fort:
»Mir geht es nicht besonders, Inspektor Hardcastle, deswegen will mir mein Mann Schock und Aufregung ersparen. Sie sprachen von einem Foto, glaube ich – von dem Foto des Ermordeten. Ich weiß nicht, ob ich es fertigbringe, es mir anzusehen!«
»Sie ist ganz wild darauf«, dachte Hardcastle bei sich. Etwas boshaft meinte er:
»Vielleicht sollte ich Sie dann lieber nicht darum bitten, Mrs Bland. Ich dachte nur, dass Sie uns vielleicht helfen könnten, falls der Mann irgendwann mal hier vorgesprochen hat.«
»Ich muss wohl meine Pflicht tun, nicht wahr?«
Sie streckte die Hand aus und sah sich die Fotografie genau und, wie der Inspektor dachte, mit einer gewissen Enttäuschung an.
»Er sieht eigentlich gar nicht tot aus – gar nicht, als ob er ermordet worden wäre. Wurde er – er kann doch nicht erwürgt worden sein?«
»Erstochen«, erklärte der Inspektor. »Sie glauben nicht, dass Sie ihn vielleicht schon einmal gesehen haben, Mrs Bland?«
»Nein«, antwortete sie. »Nein, leider… Versicherungsvertreter? Ach so, nein, so jemand war nicht hier. Du erinnerst dich doch auch nicht, dass ich so was erwähnt hätte, Josaiah?«
»Nicht, dass ich wüsste«, erwiderte Mr Bland.
»War er verwandt mit Miss Pebmarsh? Nein? – Wie merkwürdig!«
»Sie kennen Miss Pebmarsh?«
»O ja, ich meine als Nachbarin natürlich. Sie hat meinen Mann ein- oder zweimal wegen des Gartens um Rat gefragt.«
»Sie sind ein
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