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Auf doppelter Spur

Auf doppelter Spur

Titel: Auf doppelter Spur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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die Leute.«
    »Niemand hat es bemerkt. Aber du hast Recht; der Mörder konnte nicht damit rechnen, dass es niemand sehen würde. Passanten würden es bestimmt bemerkt haben, wenn an jenem Tag ein Wagen vor Nr. 19 gehalten hätte…«
    »Dessen bin ich mir nicht so sicher«, sagte ich. »Heutzutage ist jeder so an Autos gewöhnt, es sei denn, es wäre ein besonders auffallender Wagen gewesen. Doch das ist sehr unwahrscheinlich.«
    »Und dann war natürlich gerade Mittagszeit. Ist dir klar, Colin, dass damit Miss Millicent Pebmarsh wieder in den Mittelpunkt unseres Interesses rückt? Es schien so weit hergeholt, dass ein gesunder Mann von einer blinden Frau erstochen werden könnte – außer wenn er betäubt war…«
    »Mit anderen Worten: ›Wenn er dorthin ging, um ermordet zu werden‹, wie es unsere Mrs Hemming formulierte, dann kam er ganz unauffällig auf eine Verabredung hin. Ein Sherry oder Cocktail wurde ihm angeboten – das Gift wirkte, und Miss Pebmarsh ging an die Arbeit. Dann wusch sie das Glas aus, deponierte die Leiche säuberlich auf dem Fußboden, warf das Messer in den Katzenstall in Nachbars Garten und ging wie gewöhnlich fort.«
    »Auf dem Weg rief sie das Cavendish-Schreibbüro an – «
    »Weshalb sollte sie das getan haben? Und warum sollte sie dann ausdrücklich nach Sheila Webb fragen?«
    »Ich wünschte, wir wüssten es.« Hardcastle sah mich an. »Weiß sie es? Das Mädchen selber?«
    »Sie sagt nein.«
    »Sie sagt, sie weiß es nicht«, wiederholte Hardcastle trocken. »Ich frage dich, was du davon hältst?«
    Ich schwieg einen Augenblick. Was hielt ich davon? Ich musste mich jetzt auf meinen eigenen Plan konzentrieren. Er musste die Wahrheit ans Licht bringen. Sie würde Sheila nicht schaden können, wenn sie das war, wofür ich sie hielt. Mit einer brüsken Bewegung zog ich eine Postkarte aus der Tasche und schob sie über den Tisch.
    »Die hat Sheila mit der Post bekommen.«
    Hardcastle untersuchte sie. Sie gehörte zu einer Postkartenserie mit Fotografien von Londoner Gebäuden. Die Oberste Strafkammer war darauf abgebildet. Hardcastle drehte sie um. Rechts stand die Adresse in sauberen Druckbuchstaben: Miss R. S. Webb, Palmerstone Road 14, Crowdean, Sussex. Links, ebenfalls in Druckbuchstaben, stand der Satz: »Denk daran!« Und darunter: »4.13 Uhr.«
    »4.13 Uhr«, sagte Hardcastle. »Das war die Zeit, die die Uhren am Tag des Mordes anzeigten.« Er schüttelte den Kopf. »Eine Abbildung von Old Bailey, die Worte ›Denk daran‹, und die Zeit – 4.13 Uhr. Es muss mit irgendetwas zusammenhängen!«
    »Sie sagt, sie wüsste nicht, was es bedeuten soll«, ergänzte ich. »Und ich glaube ihr.«
    Hardcastle nickte.
    »Ich behalte die Karte. Vielleicht kommen wir damit weiter.«
    »Hoffentlich.«
    Um die plötzlich zwischen uns aufgekommene Verlegenheit zu überbrücken, sagte ich:
    »Du hast einen ordentlichen Packen da liegen.«
    »Nur das übliche. Und das meiste taugt nichts. Der Tote hatte keine Vorstrafen, seine Fingerabdrücke sind nicht registriert. Das ganze Zeug stammt von Leuten, die behaupten, ihn erkannt zu haben.« Und Hardcastle las ein paar Zuschriften vor – von verlassenen Frauen, die ihren Mann wiederzuerkennen glaubten, oder von Müttern, die schworen, der Tote sei ihr Sohn, den sie seit zwanzig Jahren nicht mehr gesehen hatten.
    »Und hier ist die Liste der vermissten Personen. Hilft auch nicht weiter«, meinte Hardcastle. Sein Telefon läutete.
    »Ja? – Was? – Haben Sie den Namen? – Verstehe. Machen Sie weiter.« Er legte auf. Sein Gesicht war völlig verändert – ernst, fast zornig.
    »In einer Telefonzelle in der Wilbraham Crescent haben sie ein Mädchen tot aufgefunden«, sagte er.
    »Tot?« Ich starrte ihn an. »Wie?«
    »Erwürgt – mit ihrem eigenen Schal erdrosselt.«
    Mir wurde plötzlich ganz kalt.
    »Welches Mädchen? Es ist doch nicht – «
    Hardcastle sah mich mit einem kalten, abschätzenden Blick an, der mir nicht gefiel.
    »Deine Freundin ist es nicht«, sagte er, »falls du das befürchtet hast. Der Polizist dort scheint sie zu kennen. Er sagt, das Mädchen arbeitet im selben Büro – Edna Brent heißt sie.«
    »Wer hat sie gefunden? Der Polizist?«
    »Miss Waterhouse fand sie, die Frau von Nr. 18. Anscheinend ging sie zur Zelle, um zu telefonieren, weil ihr Apparat nicht funktionierte, und dort fand sie das Mädchen – ein zusammengesunkenes Häufchen.«
    Die Tür öffnete sich, und ein Polizist sagte: »Dr. Rigg hat angerufen, dass

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