Auf doppelter Spur
nur in deren Wohnung sprechen? Es hatte sie etwas fragen wollen – aber nicht vor den anderen Mädchen, das war es.
»Weshalb, meinen Sie, ging das Mädchen zur Wilbraham Crescent?«, fragte Sergeant Cray, als sie nach bedrückenden anderthalb Stunden wieder im Büro waren.
»Das habe ich mich auch gefragt. Es ist natürlich möglich, dass es nur Neugierde war… andererseits«, sagte Hardcastle langsam, »hat sie vielleicht jemanden aufsuchen wollen, der dort wohnt…« Als Sergeant Cray gegangen war, schrieb Hardcastle drei Nummern auf sein Löschblatt. »18«, und dann setzte er ein Fragezeichen dahinter, ebenso hinter »19« und »20« und die dazugehörigen Namen: »Hemming, Pebmarsh, Waterhouse.« Die drei Häuser am äußeren Bogen kamen nicht infrage, dann wäre Edna Brent nicht den inneren Bogen entlanggegangen.
Zuerst machte er sich Gedanken über Nr. 20. Dort hatte man das Messer gefunden, das beim ersten Mord verwendet worden war. Es war wahrscheinlicher, dass das Messer vom Garten von Nr. 19 aus herübergeworfen worden war, aber wissen konnte man das nicht. Es hätte auch vom Besitzer von Nr. 20 selbst in den Stall geworfen worden sein können. Bei der Befragung hatte Mrs Hemming nur empört reagiert: »Wie abscheulich von jemandem, ein scheußliches Messer nach meinen Katzen zu werfen!« Gab es eine Verbindung zwischen Mrs Hemming und Edna Brent? Keine, entschied der Inspektor und ging zu Miss Pebmarsh über.
War Edna Brent nach Wilbraham Crescent gegangen, um Miss Pebmarsh aufzusuchen? Miss Pebmarsh hatte bei der gerichtlichen Leichenschau ausgesagt. Hatte sie etwas behauptet, das bei Edna Zweifel erregt hatte? Sie war aber schon vor der Untersuchung bedrückt gewesen. Hatte sie ein Geheimnis über Miss Pebmarsh gewusst – zum Beispiel, dass zwischen Miss Pebmarsh und Sheila Webb irgendeine Verbindung bestand? Das würde zu dem passen, was sie zu Pierce gesagt hatte: »Was sie sagte, kann nicht stimmen.«
Und Nr. 18? Miss Waterhouse hatte die Leiche gefunden. Aus beruflichen Gründen war Inspektor Hardcastle sofort gegen Leute eingenommen, die Leichen fanden. Eine Leiche finden, das machte die Sache für den Mörder so einfach – er brauchte kein Alibi zu konstruieren, es entschuldigte Fingerabdrücke, die versehentlich nicht entfernt worden waren. Vorausgesetzt allerdings, dass es kein Motiv gab. Und Miss Waterhouse hatte todsicher kein denkbares Motiv, um die kleine Edna Brent aus dem Weg zu schaffen. Hatte Edna aber vielleicht einen Grund zur Annahme, dass Miss Waterhouse am Telefon die Stimme von Miss Pebmarsh nachgeahmt und nach einer Stenotypistin gefragt hatte?
Nichts als Vermutungen.
Und dann war da natürlich noch Sheila Webb selbst… Hardcastle griff nach dem Telefon und rief Colin in dem Hotel an, in dem dieser wohnte.
»Hardcastle hier – um welche Zeit hast du heute mit Sheila Webb zu Mittag gegessen?«
Erst nach einer Pause antwortete Colin: »Woher weißt du, dass wir zusammen gegessen haben?«
»Gut geraten. Es stimmt, nicht wahr?«
»Warum sollte ich auch nicht mit ihr essen?«
»Gar nichts dagegen. Ich frage nur wegen der Zeit. Seid ihr gleich nach der Verhandlung zum Essen gegangen?«
»Nein. Sie musste noch einkaufen. Wir trafen uns in dem chinesischen Restaurant in der Market Street um 13 Uhr.«
»Ach so.« Hardcastle sah auf seine Notizen. Edna Brent war zwischen 12.30 und 13 Uhr gestorben.
»Möchtest du vielleicht wissen, was wir gegessen haben?«
»Nun bleib mal auf dem Teppich. Ich wollte nur die genaue Zeit wissen. Für das Protokoll.«
»So steht es also.«
Mit dem Versuch, das gespannte Schweigen zu überbrücken, sagte Hardcastle: »Wenn du heute Abend nichts Besonders vorhast…«
Der andere unterbrach ihn.
»Ich fahre weg. Packe gerade. Es lag eine Nachricht für mich hier. Ich muss ins Ausland… wann ich zurück sein werde, weiß ich noch nicht. Vielleicht in einer Woche – vielleicht später – vielleicht niemals!«
»Pech – nicht?«
»Ich bin mir nicht so sicher«, sagte Colin und legte auf.
19
H ardcastle kam in Wilbraham Crescent Nr. 19 gerade an, als Miss Pebmarsh das Haus verließ.
»Kann ich Sie eine Minute sprechen, Miss Pebmarsh?«
»Oh, Inspektor Hardcastle. Ich möchte nicht zu spät ins Institut kommen. Wird es lange dauern?«
»Bestimmt nur drei oder vier Minuten.«
Sie ging ins Haus, und er folgte.
»Sie haben gehört, was heute Nachmittag passiert ist?«, fragte er.
»Ist irgendetwas passiert?«
»Ich
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