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Auf dünnem Eis: Die Psychologie des Bösen (German Edition)

Auf dünnem Eis: Die Psychologie des Bösen (German Edition)

Titel: Auf dünnem Eis: Die Psychologie des Bösen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lydia Benecke
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Frust und Kränkung gut aushalten kann.
    – ob er auf eine kurzfristige Belohnung verzichten kann, um ein längerfristiges Ziel zu erreichen.
    – ob er sich in andere Menschen und ihre Emotionen einfühlen kann und ob diese für sein Empfinden eine Rolle spielen.
    Vielleicht verstehen Sie nun, warum die Regel gilt: Je stärker psychopathisch ein Mensch nach der Psychopathie-Checkliste von Hare ist, umso mehr war er in früher Kindheit Erlebnissen ausgesetzt, denen sein Gehirn zu diesem Zeitpunkt im wahrsten Sinne des Wortes noch nicht »gewachsen« war.

KAPITEL 6
UNSICHTBARE PSYCHOPATHEN:
DIE ECHTEN DEXTERS
    Er brachte mir bei,
    dass keiner von uns ist,
    wer wir nach außen hin
    zu sein scheinen.

    (Zitat aus der Fernsehserie »Dexter«)

In diesem Kapitel werde ich Ihnen zwei mittelgradig psychopathische Interviewpartner näher vorstellen, die »unentdeckt« mitten in Deutschland leben. Obwohl ihre Gefühle, Gedanken und auch einige ihrer Handlungen sich als deutlich »psychopathisch« von denen »normaler« Menschen unterscheiden, begingen sie als Erwachsene keine Straftaten und werden dies wahrscheinlich auch nie tun. Bevor Sie diese beiden psychopathischen Männer im Interview ohne die »Maske der Normalität« – die sie sonst tragen – kennenlernen, möchte ich aber etwas zur Trennlinie zwischen nur »seltsamen« und tatsächlich »gefährlichen« Menschen sagen. Wenn Sie diese Trennlinie begreifen, werden Sie besser verstehen, warum meine beiden Interviewpartner nicht die Grenze zu einer kriminellen Laufbahn überschritten haben.

Wer wir sein können –
Mehr als die Summe unserer Eigenschaften
    Aber ich bin kein Puppenspieler.
    Alles was passiert, geschieht ohne mein Zutun.
    Ich bereite nur die Bühne vor.
    Du bist es selbst, der an den Fäden zieht.

    (Der Teufel alias John Milton im Film
»Im Auftrag des Teufels«)
    Vielen Psychologen steht zunächst spontan das Entsetzen im Gesicht, wenn ich ihnen erzähle, was ich beruflich mache. Der Grund ist dabei nicht hauptsächlich, dass ich mich viel mit schweren Straftaten beschäftige. Die meisten meiner Kollegen sind eher entsetzt darüber, was für ein ungewöhnliches »Berufsmodell« ich mir »zusammengebastelt« habe. Nach dem abgeschlossenen Psychologiestudium kann man sich in Deutschland nämlich nicht einfach so als Psychotherapeut niederlassen – wie viele glauben. Vorher muss man eine mehrjährige, selbst finanzierte, kostspielige »Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten« absolvieren. Wenn man sich, wie ich, schon während der Psychotherapieausbildung selbstständig macht, geht man ein hohes Risiko ein. Man kann noch keinen festen Stamm an Patienten aufbauen, da man noch nicht von den Krankenkassen bezahlt wird.
    Obwohl ich daher von Monat zu Monat sehen muss, wie ich über die Runden komme, und meine Ausbildung dabei selbst finanziere, gibt es einige Gründe, warum ich mich entschieden habe, schon während meiner Ausbildung selbstständig zu arbeiten. Ich mag Arbeit, die frei, kreativ und sehr abwechslungsreich ist. Sowohl therapeutisch zu arbeiten als auch Beraterin zu sein, anderen durch Vorträge und Kurse Wissen zu vermitteln, Artikel und Bücher zu schreiben, das ist für mich eine wunderbare Mischung. Hobby und Beruf sind dabei dasselbe, was ich als unbezahlbares Gut ansehe. Außerdem ist Psychologie eine unglaublich vielseitige Wissenschaft. Ich kann mich mit sehr unterschiedlichen Teilbereichen beschäftigen, ohne dass ich mich auf einen festlegen muss.
    Auf diese Weise versuche ich etwas, das mir Spaß macht und offensichtlich zu meiner Persönlichkeit passt, damit zu verbinden, dass ich auch für andere Menschen etwas Nützliches leiste. Wie Sie inzwischen wissen, kann das starke Bedürfnis nach viel Abwechslung damit zusammenhängen, dass man in einigen Bereichen weniger starke Gefühle hat als andere, dass man beispielsweise seltener ängstlich und betroffen reagiert. Dies kommt auch bei psychopathischen Menschen häufig vor. Mir ist klar, dass ich hier eine Gemeinsamkeit mit deutlich psychopathischen Menschen habe und mich unter anderem auch deshalb sehr gut in sie hineindenken kann.
    Wie ich bereits beschrieb, werden Sie einige Eigenschaften aus dem Psychopathie-Baukasten bei dem einen oder anderen Menschen entdecken, den Sie kennen. Doch erst die Anzahl, Zusammenstellung und Stärke solcher (und anderer) Eigenschaften entscheidet darüber, wie die Persönlichkeit eines Menschen aussieht. In bestimmten Eigenschaften nicht

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