Auf Dunklen Schwingen Drachen1
eine dritte Karre, zusammen mit den Klauen, dem Penis, dem Darm, der Blase, den gerunzelten Hautlappen am Hals, wo der alte Maht seine Nahrung verstaut hatte. Seine ölig schwarzen Giftsäcke.
Wir holten sogar sein Gehirn heraus. So gewaltig sein Schädel auch im Vergleich zu seinem Körper gewirkt hatte, jetzt sah ich an den Knochen, wie leicht die Schädelkonstruktion war, die dünnen Knochenbögen, die den Schädel bildeten, die Augenhöhlen, die Kiefer.
Es wurde dunkel. Wir vier hatten einen ganzen Tag gebraucht, um den Kadaver zu schlachten.
Der alte Maht war jetzt auf einen Berg von Fleischstücken und zertrennten Knochen reduziert, den Teilen eines alten zierlichen Ganzen. Ich sah erneut vor mir, wie Bojests Kopf mit dem Gesicht voran in den Dschungelhumus glitt.
»Wir sind genauso«, murmelte Ohd-sli neben mir, fast ehrfürchtig, wenngleich ihre Miene einer Maske des Entsetzens glich, als sie auf den Inhalt der Schubkarren starrte. »Wir alle. Unter unserer Haut sehen wir genauso aus.«
Ja. Genau das taten wir. Und zwar Rishi und Bayen gleichermaßen.
»Ich denke wohl über den Tag hinaus«, sagte ich schließlich und legte meine kalte, blutige Hand auf ihre, »ich denke, dass ich einen eigenen Drachenbullen besitzen werde. Das will ich, über diesen Tag, diesen Monat hinaus. Einen Drachenbullen und ein Jährlingsweibchen, mit dem er sich paaren kann. Meine eigene Brutstätte.«
Meine Worte entsprangen einem verdrängten Traum, der aus all dem geboren war, was ich in meiner Kindheit erlebt, belauscht und mit angesehen hatte.
Sie antwortete nicht.
Darauf gab es auch keine Antwort.
In der Mühle machten wir uns daran, ein Feuer zu entzünden.
Während Gelbgesicht Kienspäne aus einem der schweren Zedernholzkoffer von Ohd-slis Mitgift schnitzte, benutzten Nnp-trn und ich schwere, nasse Steine, um die beiden anderen Koffer auf dem Dachboden zu zertrümmern. Ohd-sli brach zu einem weinenden Häufchen Elend zusammen, neben ihrer hustenden Cousine, und schlief ein. Offenbar war die Zerstörung ihrer Koffer zu viel für sie gewesen, der letzten Erinnerungsstücke an ihr früheres Leben.
Wir schleppten unsere Kienspäne und die Zedernholzstücke ins überflutete Erdgeschoss und wateten durch den Schlamm aus aufgelöstem Drachendung und Moskitoeiern zum Mühlstein. Wir kletterten auf diese armselige Insel, und während Nnp-trn und ich den Kienspan gegen Wind und Feuchtigkeit schützten, schlug Gelbgesicht immer und immer wieder den grauen Flintstein gegen den harten Mühlstein.
Endlich sprang ein Funke.
Wir ermunterten ihn, hauchten ihn an, warteten verzweifelt darauf, dass dieses kleine Ding unseren Kienspänen Leben einhauchte, sie in Brand setzte.
Es sollte nicht sein.
Gegen Mitternacht waren wir drei so kalt und steif und erschlagen vor Müdigkeit, dass wir ohne Nachzudenken funktionierten.
»Gib ihn mir«, krächzte ich schließlich. Das nach Süßholz und Limone schmeckende Summen des Giftes, das ich direkt von der Zunge des alten Maht geleckt hatte, ebbte ab. »Gib ihn her.«
Gelbgesichts Kopf wackelte, als wäre er nicht richtig mit ihrem Körper verbunden, sondern würde nur auf ihrem Hals balancieren. Ohne mich anzusehen, reichte sie mir den Feuerstein.
Dann öffnete ich mich. Ermunterte den Geist meiner Mutter, in mich einzudringen. Meine Mutter hatte alles entzünden können, ganz gleich, wie nass es war. Ich hatte ihr dabei zugesehen, mindestens hundertmal.
Ich dachte an sie, rief in Gedanken nach ihr. Erinnerte mich an ihren lehmigen Geruch, ihre weiche Berührung. Imaginierte die schimmernde blaue Schutzbarriere, die das Gift um mich herum errichtet hatte, stellte mir vor, wie die scharfen Krallen des Spuks meiner Mutter sie zerfetzten, in Stücke hackten, nach mir griffen …
So rasch, wie eine brüllende, Holz zersplitternde Springflut einen Damm zertrümmert, so schnell drang der Geist meiner Mutter in mich ein. Ein Mahlstrom von Gefühlen wirbelte in der trüben Aura um sie herum: ungezügelte Liebe, tiefste Erleichterung, Wut, Bedauern, Vergebung, Schuld, Beunruhigung, Hoffnung, Dringlichkeit. Er strömte durch meinen Körper, in meine Glieder; Erinnerungen an das Leben im Danku Re schwammen wie Treibgut in seinen Strudeln mit. Sie drangen in einem lang gezogenen Heulen aus meinem Mund, in einem Blutstrahl aus meiner Nase und als Flammen aus meinen Fingerspitzen.
Es waren nicht nur Funken, sondern gewaltige Flammen, welche den Kienspan sofort in Asche verwandelten. Nnp-trn und
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