Auf ein Neues!: Roman (German Edition)
kämpfte, die leichte Brise davon abzuhalten, die Seiten eines Buchs umzuschlagen. Dass auch Alix’ kleine Finger immer wieder nach den Seiten griffen, machte die Aufgabe noch schwerer.
»Mehr«, hörte Griff seine Nichte sagen.
Fasziniert von dem Anblick der Frau, die Alix, dem kleinen Mädchen, das zum Mittelpunkt seines Lebens geworden war, vorlas, trat Griff näher. Mit ihren zusammengesteckten Köpfen und den dunklen, windzerzausten Locken sahen die beiden einander so ähnlich, als wären sie Mutter und Tochter.
Alix lachte – glücklicher, als er sie in letzter Zeit je erlebt hatte.
WieschonbeiihrerletztenBegegnungdeutlichgewordenwar,hatteChelsieoffenbaretwasansich,dasseineNichteanzog.ObesdieäußerlicheÄhnlichkeitmitihrerSchwesterwarodernochmehr,erwussteesnicht …AlsGriffdiebeidensozusammensah,gestandersichinsgeheimein,dassdieseFrauauchaufihnanziehendwirkte.
Er verhielt sich ganz ruhig, lauschte ihrer leisen Stimme und versuchte, sich an ähnliche Bilder aus seiner Vergangenheit zu erinnern, aber er wurde nicht fündig. Als seine Mutter sich auf die Suche nach einem besseren, reicheren Leben begeben hatte, war die Aufgabe, Jared aufzuziehen, Griff zugefallen. Sein Vater hatte sich zwar daran versucht, doch die Vaterschaft und eine Vollzeitarbeit unter einen Hut zu bringen, war schwierig gewesen. Als Kind war Griff die kleine Freude, etwas vorgelesen zu bekommen, versagt geblieben. Wenn sein kleiner Bruder sich gefürchtet hatte oder sich einsam fühlte, hatte Griff sich wüste Geschichten ausgedacht, um ihn abzulenken. Für ihn selbst war damals niemand da gewesen.
Einen kurzen Moment ließ er sich von Chelsies Stimme einlullen, vertiefte sich mit in die Geschichte und gestattete es sich, so zu tun, als ob das Leben anders sein könnte; als ob er seine Liebe und sein Vertrauen verschenken könnte, ohne Gefahr zu laufen, dass beides ihm bei der nächsten Gelegenheit um die Ohren gehauen wurde.
»Ende.« Chelsie klappte das Buch zu. Dann schloss sie die Augen und streckte das Gesicht der Sonne entgegen. Ein friedlicher Ausdruck lag auf ihren Zügen und ließ sie verletzlich erscheinen. Weich und zugänglich, dachte Griff. Fast so wie nach dem Prozess, als sie versucht hatte, sich zu entschuldigen.
Plötzlich und unerwünscht drängte sich die Realität in seine Gedanken. Griff zwang sich, sich daran zu erinnern, warum es in seinem Haus keine so liebevollen Familienszenen geben würde. Und schon lösten sich die angenehmen Gefühle, die Chelsie hervorgerufen hatte, zusammen mit seiner guten Laune in Luft auf. Wie hatte er es nur zulassen können, irgendetwas für Chelsie Russell zu empfinden?
»Hast du Spaß gehabt?« Um Alix nicht zu verstören, hielt er seine Stimme neutral.
Chelsies Blick begegnete seinem. Der Ausdruck in ihren Augen war nicht zu deuten, obwohl er ihn gern für schuldbewusst gehalten hätte.
»Ich habe Alix nur eine Geschichte vorgelesen.«
»Das sehe ich.«
»Schmetterling«, sagte Alix und warf ihm das Buch zu.
Griff kniete sich hin und fing die Kleine auf, als sie sich in seine Arme stürzte. Schmunzelnd betrachtete er ihr breites Grinsen und die Grasflecken auf ihren Knien. »Wo ist Mrs. Baxter?«, fragte er und schaute über den Kopf des Kindes hinweg zu Chelsie.
»Als ich hier ankam, hatte sie Kopfschmerzen. Ich habe ihr angeboten, eine Weile auf Alix aufzupassen.« Chelsie stand auf und wischte sich mit ihren langen Fingern Dreck und Gras von der verwaschenen Jeans, die sich an ihre schlanken Beine schmiegte – Beine, von denen er gern in einer sehr viel intimeren Umgebung umschlungen worden wäre.
Leise fluchend riss Griff den Blick von dem verführerischen Anblick los und stellte Alix neben sich ab. »Komm mit, du Fratz. Ich glaube, in der Küche gibt es Milch und Plätzchen.« Die Konfrontation konnte warten, bis er seine Nichte abgelenkt hatte.
Das kleine Mädchen kreischte begeistert und rannte über den Rasen. »Sobald ich Mrs. Baxter gefunden und Alix ruhiggestellt habe, komme ich zurück.« Ohne auf eine Antwort zu warten, drehte er sich um und lief hinter seiner Nichte her.
Sein Bauchgefühl sagte ihm, dass Chelsie auf ihn warten würde. Sie beide hatten offensichtlich einiges zu regeln. Was für einen Grund sollte es sonst für ihr Kommen geben?
Kapitel 2
Als Griff zurückkehrte, war Chelsie aufgestanden und lehnte mit gekreuzten Beinen an der Weide. »Ich wollte nur sehen, wie du mit Alix zurechtkommst«, sagte sie ohne Umschweife.
»Und? Ist deine
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