Auf ein Neues!: Roman (German Edition)
bekannt. Neugierig blätterte er durch die abgenutzten Seiten. Auf der Innenklappe stand in krakeligen Blockbuchstaben Chelsies Name. Er setzte sich auf den Rasen und begann zu lesen.
Nachdem er den Buchdeckel wieder geschlossen hatte, dachte er über die geheimnisvolle Chelsie Russell nach. Vor Gericht hatte sie zwei Menschen vertreten, die mit Sicherheit einen schlechten Einfluss auf Alix’ Leben gehabt hätten. Doch gerade hatte sie seiner Nichte eine Geschichte über das Leben, mögliche Neuanfänge und Hoffnungen geschenkt. Etwas, woran sich das Kind in Zukunft festhalten konnte, trotz allem, was es verloren hatte.
Offenbar hatte Chelsie das Buch aus ihrer eigenen Kindheit herübergerettet. Hatte sie auch in diesen Seiten geblättert, wenn sie sich einsam fühlte? Verdammt, das sollte ihm egal sein . Griff fluchte vor sich hin. Dann stand er auf und ging zurück ins Haus.
Bei der ersten Gelegenheit bog Chelsie rechts ab, und als sie sicher war, nicht mehr in Griffs Sichtweite zu sein, hielt sie am Straßenrand an. Immer noch aufgewühlt, stellte sie den Schalthebel auf »Parken« und legte den Kopf auf das Lenkrad. Als sie beschlossen hatte, nach Alix zu sehen, war sie auf Griffins Ärger und Misstrauen gefasst gewesen. Doch nun wurde ihr bewusst, dass sie eigentlich angenommen hatte, sein Zorn sei zwischenzeitlich verraucht. Der kaum verborgene tiefe Hass, der ihr entgegengeschlagen war, hatte sie aus der Bahn geworfen.
Die Kälte in Griffins Blick zusammen mit seinen harten Worten hatte sie in eine andere Zeit und an einen anderen Ort zurückversetzt. Erinnerungen, die dicht unterhalb der Bewusstseinsgrenze lauerten, drohten aufzusteigen und ihre hart erarbeitete Ausgeglichenheit und Ruhe zu erschüttern. Mit ein paar einfachen Worten rief Chelsie sich wieder zur Ordnung: Das ist ein anderer Mann gewesen .
Nicht Griff. Egal wie zornig er war, Griffin würde nie die Kontrolle verlieren. Er war nicht dazu imstande, irgendjemanden körperlich zu misshandeln. Chelsie wusste nicht, warum sie sich dessen so sicher war, nur, dass sie es war. Vielleicht lag es an der Art, wie er seine Nichte ansah, dass sie trotz seiner Rauheit und seines harschen Tons an ihn glaubte.
Ihr Ex-Mann dagegen war hinter der Maske des zivilisierten Anwalts mehr als nur rau gewesen. Er hatte seinen Zorn ausgelebt, ihm jedes Mal, wenn irgendetwas nicht nach seiner Nase ging, freien Lauf gelassen – anders als Griffin, der Rückschläge akzeptierte und versuchte, damit fertigzuwerden, dachte Chelsie.
Nein, die beiden Männer hatten nichts gemeinsam. Doch das machte Griffin nicht weniger gefährlich für ihr Seelenheil, denn sie konnte nicht leugnen, dass sie sich von ihm angezogen fühlte. Hinter seiner rauen Schale steckte ein weicher Kern. Und Gott helfe ihr, wenn sie es jemals mit dem freundlichen Griffin Stuart zu tun bekam. Aber damit war glücklicherweise nicht zu rechnen.
Obwohl Chelsie gern so getan hätte, als sei dies nur ein weiterer abgeschlossener Fall, den man hinter sich ließ, konnte sie das Kind ihrer Schwester nicht im Stich lassen. Und sie würde es auch nicht tun, koste es, was es wolle. Das Zusammensein mit Alix zwang sie, sich der Tatsache zu stellen, dass ihr Ex-Mann mit seinem letzten Übergriff dafür gesorgt hatte, dass sie einsam und kinderlos bleiben würde.
In den Jahren nach ihrer Ehe hatte sie gelernt, in der Gegenwart zu leben und nicht in der Vergangenheit stecken zu bleiben. Doch die Zeit, die Umstände und Griffins achtlose Worte hatten die Vergangenheit, die sie für begraben gehalten hatte, wieder hochkommen lassen. Wenn du wieder einmal das Bedürfnis hast, Mutter zu spielen, schaff dir ein eigenes Kind an.
In der Hoffnung, durch die frische Luft einen klareren Kopf zu bekommen, öffnete Chelsie das Autofenster. Das Wetter war ungewöhnlich kalt für August. Statt drückender Hitze und Feuchtigkeit wehte eine eher kühle Brise, was auf einen frühen Herbst hindeutete. Normalerweise freute sie sich auf gerade diesen Jahreszeitenwechsel. Zum einen, weil sie den langsamen Rückzug, den man in der Natur beobachten konnte, gerne mochte. Zum anderen, weil der Herbst keine Erinnerungen weckte. Zumindest bisher nicht, bis ein kleines Mädchen mit tiefdunklem Haar ihr Herz erobert … und der Onkel dieses kleinen Mädchens darauf herumgetrampelt hatte.
Frustriert schlug Chelsie aufs Lenkrad. Seit dem Tag, an dem sie ihr Schicksal angenommen hatte, hatte sie sich nicht ein einziges Mal gestattet zu
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