Auf eiskalter Fährte. Abrechnung im Yukon (German Edition)
seiner Fracht zu schaffen macht, was hier los sei. Wortkarg deutet der nur nach vorne. „ Miles Canyon“, knurrt er mürrisch und wendet sich wieder seiner Arbeit zu. Clay und Kid gehen am Ufer entlang und hören schon von Weitem das Rauschen und Gurgeln der Wassermassen. Sie folgen anderen einen Abhang hinauf, um bessere Sicht auf dieses Spektakel zu gewinnen. Eine beeindruckende Szenerie tut sich vor ihnen auf. Der Yukon River verengt sich hier auf etwa fünfzig Meter. Auf die Länge von einer Meile schießt er mit Urgewalt durch diese enge Schlucht. Mit heimtückischen Strudeln und Kehrwassern ist es eine gefährliche Durchfahrt. Hier ist für viele die Stunde der Wahrheit gekommen. Sind sie nicht schon vorher auf dem Weg hierher gescheitert, steht ihnen jetzt eine Prüfung bevor, bei der andere schon ihr Leben gelassen haben. Zumal hinter dem Canyon noch die Rapids, die Stromschnellen von Whitehorse auf sie warten. Clay und Kid blicken sich an. Mit mulmigen Gefühl betrachtet sie dieses Schauspiel. Kid deutet auf die Wassermassen: „Da sollen wir durch?“ Clay nickt nur nachdenklich: „Tjaa ... Einen anderen Weg gibt`s leider nicht. Bin ja auch kein Seemann. Sitze lieber auf einem Pferd. Aber willst du den ganzen Krempel tragen bis in die Stadt?“ Kid schluckt und kann seinen Blick kaum abwenden von den durch den Canyon schießenden Wassermassen. „Naa ... dann viel Spaß“, erwidert er sichtlich beeindruckt.
„Tjaaa ... Freunde, da staunt ihr was?“, werden sie von hinten angesprochen. Ein großer, bulliger Mann steht da. Mittleres Alter, mit Vollbart und einer Mütze, wie sie Seeleute tragen. Bekleidet ist er mit wasserdichten Überhosen und einem Wollpullover, darüber eine wasserfeste Jacke aus Leder. „Wollt ihr auch durch diesen Höllenbach?“, fragt er lachend und nimmt seine Pfeife aus dem Mund. „Seht sie euch an, die Verrückten. Wie gackernde Hühner laufen sie herum. Mit so etwas haben sie nicht gerechnet. Sie wollen unbedingt zum Gold. Und jetzt das hier.“ Er zeigt in den Canyon. Er scheint sich prächtig zu amüsieren über die armen Teufel, die die Gier und ihre Träume vom schnellen Reichtum hierher getrieben haben. Immer noch in seinen Bart lachend fragt er: „Seid ihr auch so verrückt und wollt euer Leben wegen ein paar Goldklumpen riskieren?“ Clay schüttelt ernst den Kopf. Und erklärt ihm, dass sie aus anderen Gründen hier sind. „Na ... Dann seid ihr aber total in der Minderheit“, amüsiert er sich köstlich. „Ich habe noch keinen getroffen, der nicht nach Gold giert. Wir haben verrückte Zeiten. So was habe ich noch nie erlebt. Und ich bin viel in der Welt herumgekommen.“ Clay fragt ihn, was er macht und woher er kommt. Er komme von überall her, meint er mit lauten Lachen. Zuletzt wäre er als Steuermann auf einen Fischdampfer oben in Alaska gefahren. Clay fragt ihn, ob er Ahnung von diesen Gewässern habe. Der Seebär schüttelt lachend den Kopf. „Neee, mein Junge. Ich kenne nur die Meere. Und die verfluchten Gewässer der Beringsee. Dort habe ich mein halbes Leben verbracht. Mit solchen Bächen wie dem hier kenne ich mich nicht aus. Da müsst ihr einen Ortsansässigen fragen. Wie ich gehört habe, sind jetzt Lotsen eingesetzt. Zu viele sind verunglückt in den Stromschnellen. Da hat die Stadt Männer abgestellt, die den Bach kennen.
Wahrscheinlich wussten sie nicht mehr, wohin mit den vielen Leichen.“ dabei lacht er schallend über diesen makabren Witz. Dann verabschiedet er sich mit vielen guten Wünschen und schlendert immer noch lachend davon.
„ Komischer Kauz“, meint Kid stirnrunzelnd. Clay grinst. „Tja ... Solche Seebären sind einiges gewöhnt. Für den ist das Treiben hier reiner Schwachsinn. Er findet es lächerlich, auf diese Weise sein Leben aufs Spiel zu setzten. Man kann es ihm nicht verdenken.“ Dann gehen sie langsam an den Klippen entlang. Ein kleiner Pfad schlängelt sich bis ans Ende der Schlucht. Dahinter sehen sie auch die Rapids. Die gefürchteten Stromschnellen. Weiße Schaumkronen, tanzen wie die Mähnen wilder Pferde auf dem Wasser. Es brodelt und kocht. Strudel und Felsen machen eine Durchfahrt lebensgefährlich. Diese Stromschnellen gaben der Stadt auch ihren Namen: Whitehorse. Sie gehen den Pfad wieder zurück und hoffen, einen der Einheimischen zu treffen. Unten am Ufer bereiten sich andere vor, die Durchfahrt zu wagen. „Entweder wir versuchen es auf eigene Faust oder warten, ob wir auch einen Lotsen herbeiholen
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