Auf eiskalter Fährte. Abrechnung im Yukon (German Edition)
schön eingelebt. Wir haben Freunde hier. Auch die Arbeit im Saloon ist fabelhaft. Können wir uns nicht hier etwas aufbauen?“ Sie wirft Clay einen unwiderstehlichen, bittenden Blick zu. Der zieht die Augenbrauen hoch und lächelt dünn. „Na ... Und was wollen wir uns hier aufbauen, Süße? Ich bin Cowboy und Kid ebenfalls. Davon verstehen wir was. Pferde und Rinder sind unser Leben. Bis vor Kurzem waren sie dies jedenfalls. Und hier in der Gegend kann man keine Pferde und Rinder züchten. Hier kann man höchstens als Holzfäller arbeiten. Genug Bäume gibt’s ja.“ Hierbei lacht er kurz und trocken auf. Nachdenklich stützt Betty ihren Kopf in die Hände. Sie zieht wieder ihren Schmollmund und blickt ihn an wie ein flehendes kleines Reh. Unwillkürlich muss Clay lachen. Er schüttelt den Kopf und denkt nach. Dann fragt er: „Was hast du dir denn so vorgestellt? In der langen Zeit, wo ich weg war, hast du dir doch bestimmt schon Gedanken gemacht, wie ich dich kenne.“ Betty grinst spitzbübisch. „Ja. So ein paar klitzekleine Gedanken schon. Ich arbeite jetzt ja schon eine ganze Weile im Red Onion. Und Miss Aileen ist mir eine gute Freundin geworden. Sie sagte mir, dass sie irgendwann in Kürze den Saloon abgeben will. Sie wäre jetzt alt genug und hätte auch genug Geld zusammen. Sie will wieder in den Süden. Nach New Orleans. Stell dir vor, einen so tollen Saloon.“ Clay zieht die Augenbrauen hoch. Missmutig knurrt er: „Einen Saloon? Ich bin doch kein Geschäftsmann. Ich gehe zwar ab und an gerne mal hin. Aber als Besitzer bin ich denkbar ungeeignet. Nein, das gefällt mir nun absolut nicht.“ Betty blickt betreten zu Boden. Sie hatte gehofft, Clay würde sich für die Idee begeistern. Doch jetzt merkt sie, dass das eine dumme Idee war. Er ist das freie Leben gewöhnt, mit Pferden und Rindern zu arbeiten. Immer an der frischen Luft und unabhängig. Das ist sein Ding. Sie kann ihn sich auch nicht ernsthaft als Saloonbesitzer vorstellen. In feinem Zwirn, mit bestickter protziger Weste, einer goldenen Uhr in der Tasche und so einem komischen neumodischen Hut auf dem Kopf. Immer im Qualm des Saloons herumspazierend. Sie lacht plötzlich bei dem Gedanken laut auf. Clay fragt sie, warum. Als sie ihm ihre Vorstellung beschreibt, muss auch er laut auflachen. „Nein, Schatz. Diese Vorstellung ist wirklich abartig. Ich in solchen Klamotten. Ihr Frauen habt aber auch Ideen. Du wirst sehen. Auf meiner Ranch in Montana ist es wunderschön. Sie liegt in einem kleinen Tal. Ringsherum wunderschöne alte Bäume und saftige Weiden. Ein Bach fließt nahe am Haus vorbei. Und für dich als Frau bestimmt wichtig: Bis in die Stadt sind es nur zehn Meilen. Wenn ich Kid dazu bekomme, könnte er mein Vormann sein oder sogar Partner. Wenn er denn will. Das Leben dort ist wirklich schön. Du wirst dich wohlfühlen.“ Betty lächelt ihn verliebt an. „Du weißt doch, dass ich überall mit dir hingehe. Egal, wohin. War eine dumme Idee von mir. Wir werden bestimmt glücklich auf unserer Ranch.“ Dann kommt sie um den Tisch, setzt sich auf Clays Schoß. Und ein langer, inniger Kuss beendet vorerst alle Gespräche.
Bei nächster Gelegenheit nimmt Clay seinen Freund zur Seite und unterbreitet ihm das Angebot, bei ihm auf der Ranch als sein Vormann zu arbeiten. Wenn man oben im Yukon, genügend Gold gefunden hätte, wollten sie sich aufmachen und nach Montana zurück kehren. Er würde bei ihnen ein neues Zuhause finden, wenn er denn wolle. Kid lächelt und kratzt sich nachdenklich am Kopf. „Eine wirklich schöne Vorstellung ist das. Vielleicht mal sesshaft werden. Eine gute und ehrliche Arbeit zu haben. Das würde mich schon reizen. Und vor allem: Endlich mal wieder ein Pferd unter dem Hintern zu spüren.“ Bei dieser Bemerkung müssen beide herzhaft lachen. Denn auch Clay sehnt sich danach, endlich wieder auf und mit den Pferden arbeiten zu können. Sie sind Cowboys. Das liegt ihnen nun mal im Blut. Kid reicht Clay die Hand. Sie sehen sich lange an. Kid schluckt und meint nur kurz: „Abgemacht, mein Freund. Ich danke dir.“ Damit war die Sache besiegelt. Sie brauchten nicht viele Worte, um sich zu verstehen.
In den folgenden Tagen besuchen sie alte Freunde von Clay. Die Indianer, die sie ebenso freudig begrüßen, wie der alte Fallensteller, der sich prächtig von seinen Wunden erholt hatte. Alle sind froh, dass Clay wohlbehalten zurück ist. So langsam spürt man, dass der Winter an die Tür klopft. Tagsüber ist es zwar
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