Auf ewig und einen Tag - Roman
sagte, sie würde deine Wahl akzeptieren, egal für wen du dich entscheidest, du brauchst es ihr bloß zu sagen. Sag ihr, dass es nicht meine Schuld ist, niemand hat Schuld, du hast dich einfach in mich verliebt. Tief in ihrem Innern weiß sie, wie du fühlst.«
»Ich wollte sie nie verletzen.«
»Das weiß sie auch.«
Mein Körper bewegte sich weg, den Gang hinunter, meine Knie gaben nach, ich taumelte, verlor das Gleichgewicht.
Justin hatte Eve gewählt. Eve. Eve hatte gewusst, dass er sich so entscheiden würde.
… zuerst dachte ich, du wärst es, das schwöre ich …
… es war bloß dieses eine Mal, zwanzig Minuten, ein einziger Fehler …
… du bist ein Teil von mir. Ein einziger Fehler kann das nicht auslöschen …
Aber er nahm Eve.
Und was hatte ich jetzt? Ich hatte den Schmerz und den Hass auf das, was ich getan hatte. Ich hatte diesen Körper, der nichts bedeutete, nicht einmal für sich selbst. Dinge gingen mir durch den Kopf, hasteten dahin, zu schnell, um sie festzuhalten. Und dahinter formte sich ein klares Bild. Das Bild war düster und deutlich, und es zeigte mir den Weg.
Im Schlafzimmer griff ich unters Kopfkissen nach der Flasche. Die Flüssigkeit darin schmeckte süß und bitter und löste schon nach dem ersten Schluck einen Würgereiz aus. Ich nahm noch einen und noch einen, und mir wurde so schwindlig, dass ich nicht mehr wusste, wo oben und wo unten war. Ich kroch auf mein Bett und wartete.
Der Tod nahm sich lange Zeit, bis er kam. Ich hatte das Gefühl, er senkte sich wie eine nasse Decke auf mein Gesicht. Hallo, sagte er, ich weiß, dass sich das nicht gut anfühlt, aber bald wird es besser. Warte nur, ich bin schon unterwegs! So würden sie mich finden. Eve würde zuerst glauben, ich sei eingeschlafen, aber wenn ich morgen früh nicht aufwachte, würde sie mich schütteln, meine kalten Hände spüren und schreien.
In meinem Kopf war eine Enge, die in meine Brust hinabwanderte, und ich spürte, wie mein Herz langsamer schlug und stehen blieb. Ich bin tot. Ich bin tot. Justin würde vor Schmerz auf
die Knie sinken, sich hassen, Eve hassen, und merken, welchen Fehler er gemacht hatte. Jeder, den ich je gekannt hatte, würde zur Beerdigung kommen. Sie würden ohne Schirme im Regen stehen und um mein verlorenes Leben weinen. Und später würden vorbeigehende Touristen die Inschrift auf meinem Grabstein lesen, stirnrunzelnd Geburts- vom Todesdatum abziehen und sich fragen, warum ich so jung gestorben war.
Die Enge breitete sich vom Herzen in den Magen hinunter aus, wo sie sich anfühlte, als würde eine Faust zudrücken. Weniger aus Übelkeit als wegen eines heftigen Krampfs krümmte ich mich. O Gott, o Gott, ich sterbe, und das Sterben tut so weh! Es verklumpt sich in deinen Eingeweiden und presst deinen Magen durch die Brust in den Hals hinauf, o Gott! Ich schaffte es kaum bis zum Abfalleimer.
Als es vorbei war, brachte ich den Eimer ins Bad, wusch ihn aus und putzte mir die Zähne. Daddys Tür war immer noch zu, und ich wusste, was sie sagten: Arme Kerry, dumme verzweifelte Kerry, wir werden sie vermissen, wenn sie fort ist.
Vor der Tür lagen zwei Zettel. Er musste sie fallen gelassen haben, als er zu ihr eilte. Ich hob sie auf, ihre Ränder kräuselten sich in meiner Hand wie etwas Lebendiges, und in einem Anfall von Wut riss ich sie in immer kleinere Fetzen, die auf den Boden flatterten.
Ich schraubte die Birne aus einer Badezimmerlampe, wickelte sie in ein Handtuch und stampfte mit dem Fuß darauf. Ich nahm die Windung mit dem gezackten Glasrand, rollte mich auf meinem Bett zusammen, hielt sie zwischen den Händen und schloss die Augen. Ich fuhr mit der zerbrochenen Birne über mein Handgelenk und spürte das Glas auf meiner Haut, als leckte eine kalte Zunge darüber. Ich schlitzte tiefer hinein und
starrte auf die Blutstropfen. Dann noch einmal, und ein roter Spalt aus Schmerz tat sich auf, so heftig, dass mir die Birne aus der zitternden Hand fiel und ich vor Schmerz nichts mehr sah.
Ich hob das Handgelenk an den Mund und biss mit den Zähnen hinein, doch je tiefer meine Zähne eindrangen, desto schneller schlug mein Herz. Ich konnte töten - warum konnte ich nicht sterben? Es gab so viele Menschen dort draußen, die leben wollten, aber sterben mussten; warum konnte Gott sich nicht auf irgendeinen Tausch einlassen? Es wäre so leicht, einfach loszulassen, einfach in einen traumlosen, schmerzlosen, schuldlosen Schlaf zu fallen. Aber Gott schien es nicht zu kümmern, was
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