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Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition)

Titel: Auf Forsters Canapé: Liebe in Zeiten der Revolution (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Naumann
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sich fasziniert über das eigene Bild.
    »Ihr Verstand war stark und klar, wenn er nicht von ihren Gefühlen bewölkt war, aber sie war zu sehr Stimmungen unterworfen und die Sklavin von Mitgefühl.« Heftig wie der Vater, äußerst feinfühlig, empfindlich, leidenschaftlich, bald himmelhoch jauchzend, bald zu Tode betrübt, schwärmerisch religiös. »Wenn sie ihren Vater oder ihre Mutter hätte lieben können, wenn diese ihre Zuneigung erwidert hätten, dann hätte sie vielleichtnicht so bald eine neue Welt für sich gesucht.« – »Sie glaubte, daß nur ein unendliches Wesen die menschliche Seele füllen konnte und daß, wenn andere Gegenstände als Glücksmittel gesucht wurden, Enttäuschung ins Unglück führen mußte. Aber wie oft hat sie diese Überzeugung unter dem Einfluß einer heftigen Neigung vergessen!«
    Die große Liebe ihrer Jugend war eine Freundin, Fanny Blood, die, schon an Tuberkulose erkrankt, einen in Portugal ansässigen Kaufmann heiratete. Sie hatte auf Besserung im milderen Klima des Südens gehofft, doch ihr Zustand verschlechterte sich rapide. Mary war so beunruhigt, daß sie sich im November 1785 trotz der ungünstigen Jahreszeit, zur Zeit der Herbststürme, nach Lissabon einschiffte, um Fanny bei der Geburt des ersten Kindes beizustehen. Doch Mutter und Kind starben nicht lange nach ihrer Ankunft.
    Als Mary im August 1787 bei Johnson vorsprach, war sie achtundzwanzig Jahre alt. Hinter ihr lagen drei gescheiterte Versuche, sich in den wenigen Berufen, die man bei Frauen der Mittelschicht notfalls noch akzeptierte, eine unabhängige Existenz zu schaffen. Um dem häuslichen Elend zu entfliehen, hatte sie mit neunzehn im Modekurort Bath eine kärglich bezahlte Stelle als Gesellschafterin einer wohlhabenden Witwe angenommen und das Leben und Treiben der upper class aus der Nähe beobachten können. Immerhin achtzehn Monate hielt sie es bei ihrer launischen Herrin aus, kehrte aber dann nach Hause zurück, um ihre Mutter während ihrer letzten langen (zweijährigen) Krankheit zu pflegen.
    Wieder zwei Jahre später, 1784, gründete sie mit finanzieller Unterstützung einer Gönnerin eine Mädchenschule in Newington Green im Londoner Norden, an der ihre beiden jüngeren Schwestern Eliza(beth) und Everina, vor ihrer Heirat auch noch die Freundin Fanny, mit unterrichteten. Doch die Schule konnte sich nicht halten. Es blieben Schulden.
    Mary fand schließlich eine neue, ansehnliche Stelle als Erzieherin bei Lord und Lady Kingsborough in Irland. Es fielihr schwer, sich in ihre Dienstbotenrolle zu schicken. Ihre Schülerin hing an ihr bald mehr als an der eigenen Mutter, was die natürlich eifersüchtig machte. Die hübsche, verwöhnte Frau sah auch nicht gern, daß einige ihrer Verehrer (sogar ihr Mann?) Gefallen an Mary fanden. Nach einem Jahr mußte sie gehen.
    Johnson wird ihr Retter. Er ermutigt sie dazu, das Schreiben zu ihrem Beruf zu machen, läßt sie erst einmal bei sich wohnen, findet für sie eine kleine Wohnung in der Nachbarschaft, leiht ihr Geld, nimmt sie in seinen engsten Freundeskreis auf, beschäftigt sie als Mitarbeiterin der Analytical Review , was ihr ein bescheidenes Einkommen sichert, und druckt ihre Bücher. Erziehung – Erziehung des Mädchengeschlechts – bleibt ihre Herzenssache. In den Original Stories from Real Life erteilt sie in Gestalt einer Gouvernante namens Mrs. Mason der vorwitzigen Mary und der gefallsüchtigen Caroline Lebenslektionen. Sie erscheinen mit Illustrationen von William Blake, deren subversiven Charakter damals offenbar niemand bemerkt hat.
    Für The Female Reader , eine Anthologie for the Improvement of Young Women , schöpft sie vor allem aus der Bibel, Shakespeare und Milton und bekannten pädagogischen Schriftstellern wie Madame de Genlis. Auch ein Gedicht über die Schrecken der Bastille findet sich darin. Kühn übersetzt sie pädagogische Werke aus Sprachen, die sie sich selbst erst aneignen muß, aus dem Französischen, Holländischen und Deutschen. Das Moralische Elementarbuch des sächsischen (Schnepfenthaler) Reformpädagogen Christian Gotthilf Salzmann wird als Elements of Morality in England ein Bestseller.
    Ihr interessantestes, wichtigstes Buch aus dieser Zeit ist der schon erwähnte Liebes- und Selberbildungsroman. Sie nannte ihn Mary. A Fiction. Man lernt sie ziemlich gut daraus kennen. Als (fünf Jahre nach dem dinner mit Paine) ihre Beziehung zu Godwin begann, gab sie ihm Mary zu lesen.
    »Das Wesen des unabhängigen Geistes

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