Auf in den Urwald (German Edition)
die Saison vorbei und der Winter ist da. Ich hab da einen viel besseren Vorschlag. Warum sollen Berthold und Max nicht für uns beide arbeiten? Erst bauen wir mein Geschäft ab, dann eures. Und dann reden wir noch einmal über die Schulden. Von Mensch zu Mensch, wie es unter Geschäftsleuten üblich ist.«
Mirja nickte und lächelte bitter. »Das haben Sie sich aber fein ausgedacht.«
»Man macht sich so seine Gedanken, nicht wahr?«
»Gut, dann will ich Ihnen etwas sagen: Unser Geschäft kriegen Sie nicht, egal, was Sie machen! Komm, Edek.«
Sie stand auf.
»Schade, schade«, sagte Jeschke mit gespieltem Bedauern. »Und ich dachte, wir könnten uns vernünftig einigen. Na ja, wir werden ...«
Mirja hörte ihm nicht mehr zu. Sie und Edek verließen den Wagen, wobei Mirja voller Wut die Tür hinter sich zuschlug.
»Dieses Schwein! Ich hab doch gestern Abend schon geahnt, dass da noch etwas kommt!«
Sie rannte los, Edek hinterher. Erst vor der Geisterbahn blieb Mirja stehen und jetzt konnte Edek sehen, dass in ihren Augen Tränen standen.
»Äh«, Edek überlegte, wie er sie trösten könnte, aber es fiel ihm nichts ein, »äh, dieser Jeschke ...«
»Dieses Schwein!«, sagte Mirja wutentbrannt. »Dieser gemeine, dieser, dieser ...«
»Dieser Bandit!«
»Ja, Bandit!«
»Ich könnte ihn ...« Edek ballte drohend seine Fäuste.
»Ja, du könntest ihn!« Mirja wischte sich mit dem Ärmel die Tränen aus dem Gesicht, aber es nützte nichts. Sie stand da und weinte.
Edek schaute verunsichert nach rechts und nach links. Er musste jetzt etwas tun, und zwar schnell. »Äh ... komm her!«, sagte er, nahm Mirja in die Arme und drückte sie fest an sich. »Ist schon gut. Du musst nicht weinen. Wir brauchen keine Berthold und keine Max. Ich bau Geisterbahn ganz allein ab. Ich kann alles. Ist kein Problem.«
Nach und nach beruhigte sich Mirja. Dann schaute sie Edek in die Augen, ohne ihn loszulassen. »Du hast recht. Wir werden es auch allein schaffen. Wir sagen jetzt Papa Bescheid und dann fangen wir an. Mittwoch geht es auf jeden Fall in Augsburg weiter.«
»Klar«, sagte Edek, der sie endlos so hätte festhalten können. »Bei meine Onkel in Texas ...«
»... hast du auch eine Geisterbahn ganz allein abgebaut, was?« Mirjas Augen glitzerten noch voller Tränen, aber um ihren Mund lag bereits ein Lächeln.
»Nein«, wehrte sich Edek. »Bei meine Onkel gibt keine Geisterbahn. Aber einmal geht in großes Silo für Getreide die Klappe nicht mehr auf, ist verklemmt. Von oben drücken fünf oder zehn Tonnen Getreide. Onkel schimpft. Silo entladen kostet viel Zeit, viel Geld und ist gefährlich, weil kann alles explodieren. Ich sage: ›Kein Problem. Ich repariere Klappe allein.‹ Onkel sagt: ›Ist nicht möglich.‹ Ich sage: ›Ist immer möglich!‹«
»Und?«, fragte Mirja, weil Edek hier eine kunstvolle Pause einlegte.
»Die Klappe ist ein bisschen offen, so viel, wie zwei Hände breit. Edek nimmt Wasserschlauch und lässt Wasser in Klappe laufen. Das Getreide, was auf Klappe drückt, wird rausgespült. Das Wasser geht aber weiter nach oben, wie in Löschblatt, und macht Getreide darüber wie Brei. Die Körner werden größer und größer und drücken an Wand von Silo. Bald ist Getreide wie Korken in Flasche und kann nicht mehr rutschen von oben nach unten. Die Klappe hat keinen Druck mehr und ich kann Klappe reparieren. Wie Klappe ist los und geht wieder auf, ich schiebe lange Stange rein, und ratsch – ganzes nasse Getreide kommt raus. Fertig. Getreide trocknet wieder in Sonne, Silo ist repariert.«
»Toll«, sagte Mirja.
Edek drückte sie noch einmal fest an sich und meinte dann entschlossen: »So, und jetzt fange ich an. Wir schaffen es schon!«
»Ja, wir beide schaffen es«, sagte Mirja.
»Also«, sagte Edek und ließ Mirja los.
»Nein«, sagte Mirja. Sie zog Edek zu sich zurück und gab ihm einen Kuss auf die Wange.
Edek sagte nichts. Er fand nur, dass es verdammt heiß geworden war unter seiner Lederjacke. Die Frühlingssonne brannte wie selten und es wehte nicht das geringste Lüftchen über der Kirmes.
»Äh, also ich fange jetzt an«, sagte er mit trockener Kehle. »Heute Abend ist Geisterbahn verladen. Garantiert.«
· 8 ·
G egen ein Uhr merkte Edek, dass ihm die Zeit davonrannte. Das lag nicht an ihm. Er hatte bereits alle Attraktionen, die mit Druckluft betrieben wurden, von den Anschlüssen abgeklemmt, das hatte er auch bisher allein und schnell gemacht. Aber Mirja, und
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