Auf in den Urwald (German Edition)
interessante Neuigkeiten erzählen. Sie könnten sehr unangenehm für dich werden. Du solltest sie dir besser anhören!«
Ludwig wartete, bis Vanessa Jagenberg wieder Platz genommen hatte. Dann fuhr er fort: »Eigentlich hätte ich schon viel früher auf den richtigen Gedanken kommen müssen, aber du warst sehr geschickt. Hast mich nach dem Unfall nicht mehr sehen wollen, hast, wann immer ich dich anrief, die Betrübte gespielt und mir vorgeworfen, ich sei schuld am Tod meines Bruders ... Obwohl die Untersuchung ergeben hatte, dass der Absturz nichts mit einem Pilotenfehler zu tun hatte, habe ich schließlich aufgegeben und mich nicht mehr gemeldet. Mehr noch – ich hatte sogar irgendwie Verständnis für dich. Bis mir vor ein paar Wochen ein Zufall die Augen öffnete.
Wie ich schon sagte, habe ich mich mit einer Goldmine ziemlich verspekuliert. Meine Gläubiger – äußerst unangenehme Menschen übrigens – ließen nicht sehr lange mit sich reden. Sie verwüsteten mein Haus und drohten, sie würden mich umbringen. Es blieb mir nichts anderes übrig, als meine Sachen zu packen und mich so lange in Sicherheit zu bringen, bis ich das nötige Geld aufgetrieben hatte. In meiner Not erinnerte ich mich an meinen alten Rechtsanwalt in Manaus, du kennst ihn auch, er hat uns nach dem Unfall vor Gericht vertreten. Ich hatte zwar viele Jahre keinen Kontakt mehr zu ihm gehabt, aber ich hoffte, dass er immer noch wie früher im großen Stil mit Grundstücken spekulierte. Ich flog zu ihm, berichtete ihm von einigen interessanten Projekten in der Nähe von Curitiba und bot mich gegen eine entsprechend großzügige Provision als Vermittler an. Nun, meine Mühe war vergeblich. Dem Rechtsanwalt brannte wegen irgendwelcher krummen Geschäfte der Boden unter den Füßen und er meinte, er dürfe sich in nächster Zeit auf keinen Fall auf Grundstücksspekulationen einlassen. Und dennoch war mein Besuch nicht ganz umsonst. Als ich mich nämlich verabschieden wollte, übergab er mir ein versiegeltes Paket. Er erzählte, dass ihm dieses Paket vor drei Jahren vom Gericht zugestellt worden sei und er vergeblich versucht habe, es an mich weiterzuleiten, da er nicht wusste, wo ich mich aufhalte.
Zurück im Hotel, öffnete ich das Paket. Es befanden sich in ihm allerlei Sachen, die die Untersuchungskommission damals an der Absturzstelle gefunden hatte. Reste von Kleidungsstücken, eine Uhr, Pflanzenproben, ich will das hier nicht alles aufzählen. Die Mühlen der Justiz mahlen in Brasilien besonders langsam. Jedenfalls war irgendjemandem erst nach fünf Jahren aufgefallen, dass die Beweisstücke ihren Dienst getan hatten. Man packte alles zusammen und schickte es einfach dem Anwalt zu. Doch ich habe genug erzählt. Schau selbst, was noch in dem Paket gewesen ist.«
Ludwig Jagenberg stand auf, holte seine Sacktasche, kramte in einem der vielen kleinen Außenfächer und holte ein goldenes Kettchen mit einem Kreuz hervor. »Erkennst du es?«
»Ja, meine Schwester und ich haben eine solche Kette als Kinder geschenkt bekommen. Wir haben sie immer um den Hals getragen. Es ist die Kette von Iris.«
»Bist du dir sicher?«
»Natürlich. Das Kreuz hat blaue Steine. Wir waren zwar keine eineiigen Zwillinge, aber unsere Ähnlichkeit war damals für Außenstehende so verblüffend, dass man Schwierigkeiten hatte, uns zu unterscheiden. Deshalb bekam ich ein Kreuz mit roten Steinen.«
»Und ihr habt die Kettchen niemals verwechselt?«
»Nein, niemals. Worauf willst du hinaus?«
»Ich will es dir gerne erklären. Als ich das Paket geöffnet hatte, erinnerte ich mich natürlich sofort an den Unfall, und es war mir, als würde alles gerade erst geschehen: Ich schlafe irgendwann während des Flugs ein, plötzlich weckt mich ein ohrenbetäubender Lärm, das Flugzeug sackt ab und schellt gegen Bäume. Gleichzeitig rutscht diese Tasche hier oben aus dem Gepäcknetz zwischen mich und den Sitz vor mir und rettet mir das Leben, als mein Sitz sich aus der Verankerung löst und ich nach vorne geschleudert werde ...« Ludwig fuhr mit der Hand über die Tasche, als wolle er ihr noch einmal danken. »Aber das wollte ich dir eigentlich gar nicht erzählen. Wichtiger ist, was danach passierte. Es gelang mir nach einer Weile, mich aus meinem Sitz zu befreien. Ich kroch zum Ausgang und sah, dass unser gesamtes Gepäck auf dem Boden und auf den hinteren Sitzen verstreut lag. Dann war ich schon draußen. Ich versuchte noch, aufzustehen, aber es gelang mir nicht.
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