Auf in den Urwald (German Edition)
Ich hatte mehrere Rippen gebrochen, mein Arm war ausgekugelt und mein rechtes Bein – es war gleichfalls gebrochen – schmerzte derart höllisch, dass ich das Bewusstsein verlor und erst wieder in Manaus im Krankenhaus zu mir kam ...«
Ludwig machte eine Pause und betrachtete das Kettchen. Vanessa Jagenberg schwieg. Nur ihre Augen verengten sich ein wenig.
»Das Kettchen«, sagte Ludwig, »befand sich im hinteren Teil des Flugzeugs. So stand es auf einem kleinen Zettel, der an ihm befestigt war. Eine scheinbar unbedeutende Notiz, ich hätte sie fast übersehen. Aber neben dem Fundort stand noch ein Name, der Name ...«
»Der Name meiner Schwester!«, fuhr ihm Vanessa Jagenberg ins Wort.
»Wenn du so willst, bitte schön: Es war der Name deiner Schwester.«
»Was willst du damit sagen, Ludwig?! Komm endlich zur Sache!«
»Nun. Ich habe vor zwei Wochen noch einmal in den alten Gerichtsakten in Manaus geblättert. Dort stand, deine Schwester sei im hinteren Teil des Flugzeugs an einer Schädelzertrümmerung infolge des Aufpralls gestorben. Beigeheftet war das entsprechende Foto. Das Problem ist nur – sie hat niemals dort gesessen. Nicht während des Flugs und auch nicht danach!«
»Und was schließt du daraus?«, fragte Vanessa Jagenberg ungeduldig.
»Als ich das Flugzeug verließ, saß deine Schwester nicht hinten. Ich schließe also daraus, dass du sie dort hingebracht hast, nachdem du ihr die Schädelverletzung zugefügt hast. Du hast deine Schwester umgebracht!«
»Eine wirklich schöne Schlussfolgerung!«, lachte Vanessa Jagenberg höhnisch auf. »Doch wo sind deine Beweise, Ludwig? Die Untersuchungen sind damals so schlampig geführt worden, dass man es noch nicht einmal für nötig befunden hatte, uns als Zeugen zu laden. Allein unsere Aussagen der Polizei gegenüber genügten dem Gericht, um festzustellen, dass der Unfall nur auf höhere Gewalt zurückzuführen war!«
»Was dein Glück war!«, fügte Ludwig hinzu, aber Vanessa Jagenberg ging darauf nicht ein.
»Glaubst du wirklich«, fragte sie, »dass man einem heruntergekommenen Halunken wie dir nach so vielen Jahren diese Geschichte abnehmen wird? Ich behaupte, dass meine Schwester während des Aufpralls nach hinten geschleudert worden ist. Wir waren alle nicht angeschnallt! Kannst du mir das Gegenteil beweisen?«
Ludwig schüttelte langsam den Kopf, während Vanessa Jagenberg sprach. »Ich will dir genau erzählen, wie es gewesen ist«, sagte er, als sie geendet hatte. »Der Pilot und Gernot waren tot, aber deine Schwester lebte noch. Auch ihr gelang es, sich aus dem Sitz zu befreien, und sie war auf dem Weg nach draußen. In diesem Augenblick hast du den Entschluss gefasst, sie umzubringen. Du hast, wie so oft, die Zufälle des Lebens kaltblütig für dich ausgenutzt. Dein Pech war aber, dass du nach dem Mord noch Zeit gebraucht hast, viel Zeit sogar, um alles perfekt zu arrangieren. Die Rettungsmannschaft von dem nahe gelegenen Flugplatz hat dich überrascht und du hast es nicht mehr geschafft, deine Schwester nach vorne zu bringen.«
»Ludwig!« Vanessa Jagenbergs Stimme klang scharf, fast zischte sie. »Ich habe deine Geschichten satt! Ich will endlich Beweise sehen! Oder verschwinde, auf der Stelle!«
»Ich kann dir zwar nicht mehr nachweisen, dass du deine Schwester umgebracht hast«, sagte Ludwig, »aber ich habe einen anderen, viel besseren Beweis.« Er bückte sich, kramte in seiner Tasche, holte einen weißen Briefumschlag heraus und drehte ihn um. Zwei kleine Kontaktlinsen rollten auf den Tisch.
»Du hast an alles gedacht, an das Kettchen, an die Uhr und die anderen Sachen, nur die hast du übersehen. Muss ich dazu noch mehr erklären?«, fragte er.
Vanessa Jagenberg schwieg eine Weile, sichtlich überrascht. Dann sank sie in ihren Sessel zurück und sagte: »Du hast gewonnen, Ludwig. Ich besorge dir das Geld.«
»Lass dir damit aber nicht zu lange Zeit. Meine Gläubiger gehören, wie ich schon sagte, zu der ungeduldigen Sorte von Mensch und sie verstehen keinen Spaß. Im Übrigen gibst du mir Euros. Der Dollar verliert im Augenblick zu schnell an Wert. Sagen wir also, dass du mir drei Millionen Euro besorgst.«
»Drei Millionen Euro? Das ist doch mehr als zwei Millionen Dollar!«
»Wenn ich an das Geld denke, das du mir noch schuldest, kommst du dabei ganz ordentlich weg. Also stell dich nicht so an.«
»Gut, du sollst das Geld haben«, sagte Vanessa Jagenberg, »es bleibt mir ja nichts anderes übrig ...« Dann
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