Auf in den Urwald (German Edition)
so erzählt. Und hat dort gekämpft mit Krokodile und mit Affen und hat gehabt viel Gold aus Goldmine. Und ich hab gesagt: ›Wilfried, du bist verrückt in Kopf!‹ Und dann hab ich und Wilfried geklaut Transporter. Nein, ich hab geklaut allein und Wilfried ist dann mitgefahren, weil er wollte nicht allein sein. War aber falsche Transporter, äh, weil ich wollte klauen Transporter mit Geld von Jeschke. Aber in Transporter war hinten keine Geld von Jeschke, nur Onkel Ludwig. Und Onkel Ludwig war tot. Ganz tot. In eine Tasche waren Papiere, und da stand, dass Onkel Ludwig soll kommen zu Studenten, damit die ihn zerschneiden und lernen. Und Wilfried hat dann sein tote Onkel mitgenommen, weil er war ganz traurig, und hat ihn gelegt in Sarg von ›Tote Mann‹. Und ...«
»Einen Augenblick bitte«, unterbrach ihn der Kommissar, der immer noch nichts verstand. »Sie behaupten also, einen Geldtransporter gestohlen zu haben, in dem sich aber statt des Geldes ein Toter befand?«
»Ist genau richtig!«, bestätigte Edek erleichtert.
»Und diesen Toten haben Sie dann hier in die Geisterbahn mitgenommen?«
»Ja, war aber nicht schlimm. Weil er war konser... konserviert mit Formalin in eine Gerichtsinstitut. Und Wilfried hat Onkel Ludwig Anzug von ›Toter Mann‹ angezogen und grüne Perücke. Und Onkel Ludwig sah besser aus als ›Toter Mann‹, weil Onkel Ludwig hat immer gegrinst!«
»Warten Sie«, unterbrach ihn schon wieder der Kommissar. »Sagten Sie, der Tote sei konserviert gewesen und habe gegrinst?«
»Ja. Immer. Sah wirklich lustig aus, trotzdem er war tot!«
»Wo haben Sie noch mal den Transporter gestohlen?«
»War in Augsburg.«
Der Kommissar schüttelte ungläubig den Kopf. »Jetzt wird mir einiges klar. Eine verrückte Geschichte, kaum zu fassen ... Die Kollegen von Augsburg suchen die halbe Welt nach dem verschwundenen Toten ab, stellen die wildesten Theorien auf, und der fährt einfach mit einer Geisterbahn als ›Toter Mann‹ durch die Lande! Sagen Sie, ist das hier keinem aufgefallen? Wie viele Leute besuchen denn so am Tag die Geisterbahn?«
»Wenn Geschäft gut läuft vielleicht tausend oder mehr«, meinte Edek.
»Und keiner hat etwas gemerkt?«
»Keiner. Weil Onkel Ludwig war besser als ›Toter Mann‹, wirklich ...«
»Das glaub ich auf Anhieb«, bemerkte der Kommissar.
»Nein, nicht so«, widersprach Edek, dem die Ironie nicht entgangen war. »Weil Wilfried sagte immer: ›Ist egal, ob ein Mann ist tot oder nicht. Ein toter Mann ist auch ein Mann!‹ Das hat Wilfried gut gesagt.«
Der Kommissar nickte nachdenklich. Dann schaute er sich um und meinte: »Könnten wir uns weiter bei Ihnen im Wohnwagen unterhalten. Hier ist es so fürchterlich laut und die vielen Neugierigen ...«
»Ja, gehen wir in den Wohnwagen«, sagte Mirja, die die ganze Zeit Edeks Hand festhielt. Eng umschlossen und ganz warm.
Edek sah sie an und lächelte entschuldigend. Mirja lächelte zurück. Fragend, verwirrt, kurz nur. Und doch hatte Edek jetzt das Gefühl, dass alles gleich ganz einfach werden würde. So einfach, wie er es sich zuvor nicht hätte vorstellen können.
»Ach, übrigens«, wollte der Kommissar noch von Edek wissen, bevor sie losgingen, »und wo, glauben Sie, ist der Tote jetzt?«
»Ist bestimmt mit Wilfried weg nach Hause«, sagte Edek. »Zu seine Mutter.«
»Na ja«, sagte der Kommissar, »dann werden wir da wohl auch noch hinfahren müssen.«
Er erklärte den Polizisten knapp, sie mögen im Wagen auf ihn warten. Die immer noch zahlreichen Schaulustigen, die ihm, Mirja und Edek den Weg versperrten, forderte er auf, nach Hause zu gehen. Es gebe nichts mehr zu sehen. Die Sensation sei vorbei.
Eine der Schaulustigen hatte diese Aufforderung nicht mehr nötig. Vanessa Jagenberg hatte genug gehört. Sie war schon auf dem Weg nach Hause.
· 8 ·
V ielen Dank«, sagte Wilfried zu den beiden Polizisten, die ihm gerade geholfen hatten, den Sarg über die hohe Bordsteinkante zu heben, »vielen Dank noch mal!« Er lächelte übers ganze Gesicht.
Die Polizisten lächelten zurück. »Keine Ursache«, sagte der eine von ihnen, »ist ja auch ein echtes Ungetüm, der Sarg!«
»Es ist ein schöner Sarg, nicht wahr?«, meinte Wilfried. »Er glänzt so schön!«
Die Polizisten schauten sich an. Einem so merkwürdigen Umweltschützer waren sie bei der Demonstration noch nicht begegnet. Aber der goldene Sarg war wirklich schön, schöner als all die anderen schwarzen Pappsärge, die heute schon
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