Auf Inseln (German Edition)
in New Avignon Geheimaufträge anvertraut hatte? Vielleicht machte ich mich durch meine offene Art verdächtig, selbst ein Agent New Avignons zu sein, der hier destabilisierenden Unsinn verbreitete. Vermutlich war ein Großteil der Touristen für den klerikalen Geheimdienst tätig. Spaßige Tätigkeit! Nachdem wir uns öfters geküsst hatten und sie uns Sachen ins Ohr geflüstert hatte, die für zehn Beichten reichten, sie saß immer zwischen Paul und mir, zogen wir uns ins Hotel zurück, insofern einig, dass wir mindestens diese Nacht gemeinsam miteinander verbringen würden. Pamela zeigte sich kompromissbereit und einverstanden. Immerhin waren wir sehr interessante Gäste. Nie hatte es zwischen mir und Paul eine Art Eifersucht gegeben, nie hatte der eine versucht, den anderen auszustechen, um die Gunst der Begleiterin für sich alleine zu gewinnen. Wir waren ein fast perfektes Team, diese Frau gemeinsam zu nehmen. Fast perfekt, da ich paradoxerweise in Gedanken bei Paola weilte. Teilweise stellte ich mir mit geschlossenen Augen vor, sie wäre anstelle von Pamela bei uns. Während sie mich mit ihrem Mund liebkoste, drang Paul von hinten in sie ein. Diese Stellungsbilder wechselten. Es kamen bei uns kaum Fragen auf, was sie empfinden mochte. Jedenfalls war dies eine Art Vorspiel. Nach ein paar Drinks und zwei Zigarren, die wir auf dem Balkon rauchten, mischten wir uns weiter ins Nachtleben. Pamela sollte uns die heißesten Pflaster von Frisco zeigen, das Licht von Helena über diesem Sündenpfuhl. Konnten ihre Strahlen eine Art von Wahnsinn bei uns auslösen?
Pamela führte uns in ein Etablissement, in dem Nackttänze, besser gesagt Ausziehtänze aufgeführt wurden. Die Bezeichnung, die es auf der Erde dafür gab, hatte ich vergessen. Der Eintritt kostete uns ein kleines Vermögen und die Preise für die Getränke waren so hoch, dass wir nur an ihnen nippten. Pamela bestellte sich schnell frech ein zweites Getränk und versuchte uns zum Trinken zu animieren. Diese Tanzveranstaltungen gesehen zu haben, war ein Muss für jeden New Havanna-Tourist. Wir verfolgten zwei Aufführungen, bei der die Tänzerinnen Frauen New Avignons darstellten. In der ersten Nummer spielten die Kopftücher eine zentrale Rolle. Die zweite Szenerie spielte eine Liturgie nach, pure Gotteslästerung, in der sich zur rhythmischen Kirchenmusik Messdienerinnen entkleideten und aufreizend einen Priester umgarnten. Paul war offensichtlich geschockt, während für mich diese Aufführung das Zentrum meiner Phantasien widerspiegelte. Nach getaner Aufführung versuchten die Tänzerinnen, bei betuchten Gästen einiges Geld lockerzumachen. Nach gut einer Stunde verließen wir das Lokal, bewegten uns wieder auf der Strandpromenade, hin zu Zielen, wo das Trinken bezahlbar war. „Ich fand die Aufführungen im Prinzip sehr unmoralisch“, meinte Paul. „Sie sind geeignet, den Rest religiöser Moralvorstellungen, die bei uns Touristen noch vorhanden sein müsste, zu verletzen.“ Paola sagte dazu nichts, während ich einwand, dass die Aufführungen sehr erregend gewesen seien. „Das hatte doch alles nichts mit wirklicher Religion zu tun“, argumentierte ich scheinheilig. „Hier werden doch nur unsere gesellschaftlichen Bräuche pointiert und sehr reizvoll auf die Schippe genommen. Was hat ein Kopftuch mit Gott zu tun? Unsere Liturgie ist eine Erfindung von Menschen.“ Paul war nicht so weit, dies zu verstehen, obwohl wir beide ja übereinstimmten, dass die Sexualmoral von New Avignon unterdrückerisch war und keineswegs gottgewollt. Paul sah es nicht als Sünde an, sich mit Pamela einzulassen, obwohl es nach orthodoxem Standpunkt der Klerikalen eine war. Zurück in Athens hätten wir unsere Sünden zu beichten. „Das war eindeutig Gotteslästerung“, verteidigte er sich. Selbstverständlich war es Gotteslästerung. Und die Verhöhnung der Sitten unserer Gesellschaft. Wie erregend das für mich war. Pamela gab zum Besten, dass es Aufführungen gäbe, in denen der Beischlaf vollzogen würde. Ein netter Job für mich dachte ich. Ich stellte mich als Akteur, als verkleideter Priester vor. Wir gerieten in eine Terrassenbar, die ein wenig an einen kleinen Park erinnerte, da eine Vielzahl von endemischen Pflanzen zu sehen war, was irgendwie exotisch oder auch befremdlich wirkte. Bei Tageslicht sah man, dass die Blattfarben der einheimischen Pflanzen mehr zu Türkis tendierten. Meist hatten diese Blätter lederartige Konsistenz und ein
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