Auf Umwegen ins Herz
ich könnte jemals wieder mit dir zusammen sein, wo du mich ein ganzes Jahr lang von vorne bis hinten belogen hast? Mich verarscht hast! Für wie bescheuert hältst du mich?“ Ich tippte mir mit dem Zeigefinger gegen die Schläfe.
„Jedes Wort, das über deine Lippen kommt, würde ich auf die Waagschale legen, würde bei jedem Satz die Wahrheit anzweifeln. Nicht einmal jetzt, wo du vor mir stehst wie ein erbärmlicher Wurm, glaube ich dir dein Gejammer. Weil du mich gelehrt hast, dass aus deinem Mund nur Lügen kommen. Vielleicht war die ‚Ich-hab-mich-von-meiner-Frau-getrennt-Masche’ ja auch nur wieder eine Lüge, ein Trick, um mich doch noch einmal rumzukriegen.“ Ich wurde immer lauter, redete mich richtig in Rage.
„Wenn ich du wäre, würde ich jetzt hier aus dieser Tür marschieren und nie wieder in meine Nähe kommen. Nicht einmal mehr an mich denken sollst du. Denn es gibt nichts, was uns verbindet. Rein gar nichts!“
Demonstrativ öffnete ich die Wohnungstüre noch etwas weiter und trat einen Schritt zur Seite. „Also los, verschwinde endlich!“ Dabei sah ich ihm fest und entschlossen in die Augen.
Offensichtlich war die Botschaft angekommen, denn Georg sackte in sich zusammen, die Siegesgewissheit, die Entschlossenheit, die anfangs noch in seinen Augen zu sehen gewesen war, war endgültig erloschen. Wie ein Häufchen Elend stand er vor mir und fing doch tatsächlich an zu schluchzen. War das jetzt sein Plan C? Oder …
„Du bist tatsächlich ein großartiger Schauspieler, Georg. Du solltest deinen Wunschberuf noch einmal überdenken. Dein nächstes Opfer kauft dir den mit Sicherheit ab – denn im Schauspielern bist du einsame Spitze. Dann wäre zumindest nur die Hälfte gelogen.“
Mutlos blickte er auf seine Schuhe. „Es tut mir leid. Ich habe wohl wieder einmal nicht nachgedacht, sondern nur gehandelt.“
„Wie kommst du eigentlich darauf, hier einfach so aufzukreuzen? Abgesehen davon, dass ich überall hätte sein können. Oder denkst du, ich sitze seit unserer Trennung jedes Wochenende einsam daheim und warte nur darauf, dass du wiederkommst?“
„Nein, das nicht. Aber ich wusste, dass du alleine in deiner Wohnung bist.“
„Wie bitte?“ Ich glaub, ich hör nicht recht! „Woher willst du das wissen? Beobachtest du mich etwa? Das ist so was von krank …“
„Naja … ich hab den Facebook-Account meiner Frau gehackt …“ Georg murmelte leise vor sich hin, und ich musste mich konzentrieren, um alles genau zu verstehen, was er mir sagen wollte.
„Naja, und da hab ich gelesen, dass du heute alleine in deiner Wohnung bist. Als ich die Kommentare zu deinem Status gesehen habe, ist bei mir eine Sicherung durchgebrannt, und ich dachte, wenn ich dir jetzt nicht sofort klarmache, dass ich der richtige Mann für dich bin, dann würde ich dich endgültig verlieren. Aber … das war ja wohl umsonst.“
„Du bist so was von krank …!“
Seine Lippen bebten. Ich kam mir vor wie in einem schlechten Film.
„Hör zu, Jana, ich werde dich gleich verlassen – mich verabschieden und dich nicht mehr belästigen. Nur eins noch …“
Nein, ich wollte es nicht wissen, ich wollte es nicht hören. Ich schloss genervt die Augen, immer noch hielt ich die Haustüre auf. War denn diese Geste so schwer zu verstehen?
„Was?“
„… Darf ich noch kurz deine Toilette benutzen, bevor ich fahre?“
Nein, darfst du nicht, wollte ich ihm an den Kopf schreien. Doch ich tat es nicht. Einem geschlagenen Hund sollte man das Pinkeln nicht verbieten, oder? Ich deutete ihm mit einem kurzen Kopfnicken in Richtung WC, das sich hinter ihm befand. So ein Unmensch wollte ich dann doch nicht sein. Immerhin handelte es sich um menschliche Bedürfnisse, für die er nichts konnte. Und bevor er mir womöglich noch vor die Wohnungstür auf die Fußmatte urinierte …
Ich beschloss, sobald er mein Reich verlassen hätte, das gesamte stille Örtchen zu dekontaminieren. Ich war nur dankbar, dass die Toilette direkt an den Vorraum angrenzte. Nicht auszudenken, was wäre, müsste er meine gesamte Wohnung durchqueren, um zu pinkeln.
Als er kurz darauf zurückkam, fielen ihm einige Strähnen nass ins Gesicht, das er sich anscheinend gewaschen hatte.
„Mach‘s gut, meine liebe Jana.“ Mit diesen Worten ging er an mir vorbei, durch die offene Tür. Endlich! Ich jubelte innerlich auf.
„Tschüss.“ Auf nimmer Wiedersehen!
Gerade wollte ich die Haustüre wieder schließen, da drehte er sich noch einmal zu mir
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