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Auf verlorenem Posten

Auf verlorenem Posten

Titel: Auf verlorenem Posten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Weber
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im Auge zu behalten.
    Lieutenant Mercedes Brigham saß Blanding gegenüber. Fast schien es, als wäre sie absichtlich dorthin gesetzt worden, um die Unterschiedlichkeit der beiden zu betonen. Blanding war jung und hellhäutig; Brigham war alt genug, um Honors Mutter zu sein. Sie besaß dunkle, wettergegerbte Haut. Brigham war die Segelmeisterin der Fearless , eine Position, die in der Navy immer weiter abgebaut wurde, doch das schien sie nicht zu beeindrucken. Sie hatte nie genügend Aufmerksamkeit erregt, um über den Rang eines Lieutenants hinaus befördert zu werden. Ihr angenehmes, lebhaftes Gesicht strahlte eine Aura ruhiger Kompetenz aus. Auch wenn sie sich genauso reserviert verhielt wie die restlichen Offiziere, so schien sie wenigstens keine spürbare Furcht vor der Kommandantin zu empfinden.
    Na prima , dachte Honor, nachdem sie ihre Musterung beendet hatte, und beherrschte sich, die Offiziere nicht anzubrüllen, mehr Rückgrat zu zeigen. Das würde nichts besser machen, im Gegenteil. Es würde sie davon überzeugen, daß ihre Befürchtungen nur zu begründet waren. Außerdem wußte Honor genau, wo diese Rechtfertigungshaltung herrührte; sie hatte selbst Kommandanten kennengelernt, die ganz sicher die eigene Frustration an den Offizieren ausgelassen hätten. Schließlich mußte ja jemand an dem ganzen Debakel die Schuld tragen, und die Furcht, Honor könnte genauso reagieren, war so deutlich spürbar, daß sie Nimitz für die Dauer der Besprechungen in der Kapitänskajüte zurückließ. Der Baumkater war gegenüber Emotionen zu empfindsam, als daß Honor ihn in diese Situation bringen konnte.
    »Wie sieht es mit unserem Antrag auf Aufstockung der Vorräte aus, Eins-O?« fragte sie McKeon. Der Erste Offizier sah Blanding kurz an, dann straffte er den Rücken.
    »Die Fearless ist dazu eingeteilt, am Montag um zwölf Uhr dreißig neue Vorräte aufzunehmen, Ma’am«, antwortete er steif. Viel zu steif. McKeon beschränkte die persönlichen Begegnungen mit Honor auf das absolute Minimum und errichtete zwischen ihnen eine Barriere, die sie einfach nicht durchbrechen konnte. Er war forsch, tüchtig und offensichtlich kompetent – doch es gab nicht die Spur einer Wechselwirkung zwischen ihnen.
    Sie mußte sich fast auf die Zunge beißen, um ihn nicht anzufahren. Vom I.O. eines Kriegsschiffes wurde erwartet, zwischen Captain und Offizieren einerseits und der Crew andererseits eine Brücke zu schlagen; er sollte genausosehr das Alter ego der Kommandantin und Manager des Schiffes sein wie der Zweite in der Befehlskette. McKeon war das nicht. Er war ein zu guter Offizier, um eine offene Diskussion über die Gründe für die Fehlschläge der Fearless – oder ihrer Kommandantin – unter seinen Untergebenen zu dulden oder gar zu ermutigen, doch auch Schweigen sprach Bände. McKeons Schweigen war beredter als alles andere und trug nicht nur zu der Isolation zwischen Captain und Offizieren bei, sondern übertrug sich allmählich auch auf den Rest der Besatzung.
    »Neuigkeiten über die zusätzlichen Raketenpaletten, die wir angefordert haben?« fragte Honor und versuchte einmal mehr, die eisige Förmlichkeit zu durchbrechen.
    »Nein, Ma’am.« McKeon tippte eine kurze Notiz in sein Memopad. »Ich werde mich erneut mit der Flottenlogistik in Verbindung setzen.«
    »Vielen Dank.« Honor gelang es, ein Aufseufzen zu unterdrücken. Sie gab’s auf. Statt dessen wandte sie sich an Dominica Santos. »Wie weit sind Sie mit dem Einbau der Gravolanze, Commander?« fragte sie mit kühler, ruhiger Stimme, die kein Anzeichen ihrer wachsenden Verzweiflung preisgab.
    »Ich denke, wir haben die Konvergenzersatzschaltkreise gegen Ende der Wache für einen Testlauf bereit, Ma’am«, antwortete Santos und erweckte mit einem Tastendruck ihr Memopad zum Leben. Sie studierte eingehend den Bildschirm und sah Honor nicht ein einziges Mal an, während sie fortfuhr: »Danach müssen wir …«
     
    Alistair McKeon lehnte sich zurück und lauschte Santos’ Bericht, doch seine Aufmerksamkeit galt nicht der LI.
    Er betrachtete Harringtons Profil, und stumpfer, wallender Groll brannte ihm wie Säure im Rachen. Die Kommandantin wirkte ruhig und gesammelt wie immer, sprach und hörte höflich zu wie gewohnt, doch das verärgerte ihn nur noch mehr. Er war selbst ausgebildeter Taktischer Offizier. Er hatte von Anfang an gewußt, wie unmöglich Harringtons Aufgabe zu meistern gewesen war, und trotzdem ließ ihn der nagende Gedanke nicht los, daß er

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