Auf verlorenem Posten
regelmäßige persönliche Berichterstattung. Es mochte ein wenig zusätzlichen Aufwand erfordern, den Eindruck zu vermeiden, sie wolle die traditionelle Autorität des I.O. untergraben, doch es schien, als arbeiteten die Offiziere eines Schiffs besser zusammen, wenn sie Gelegenheit erhielten, sowohl über Probleme als auch Fortschritte zu sprechen und die Bedürfnisse ihrer Ressorts persönlich der Kommandantin vorzulegen. Dieses System hatte Honor bereits auf der Hawkwing gute Dienste geleistet; die begeisterte Zusammenarbeit ihrer Offiziere hatte wesentlich zu den Erfolgen des Zerstörers beigetragen. Im Falle der Fearless jedoch funktionierte es nicht. Honors neue Untergebene fürchteten zu sehr, daß sie ihnen die Schuld für das Versagen des Schiffes in aller Öffentlichkeit in die Schuhe schieben könnte, als daß sie die Gelegenheit ergriffen, mit ihr Brainstorming zu betreiben.
Nun blickte Honor in Gesichter mit steinernen Mienen und spürte in den hölzernen Bewegungen eine Art Echo des eigenen Versagens. Lieutenant Webster, der Signaloffizier, hatte Wache. Alle anderen waren da – wozu auch immer es gut sein mochte.
Lieutenant Commander Alistair McKeon blickte Honor vom gegenüberliegenden Ende des Tisches entgegen. Er war ein rätselhafter Mensch voll innerlicher Reserviertheit, die nichts mit dem verheerenden Ausgang des Manövers zu tun hatte. Lieutenant Commander Dominica Santos, die Leitende Ingenieurin, die in der Rangordnung gleich nach McKeon kam, saß ausdruckslos zu Honors Rechten und fixierte den leeren Bildschirm ihres Memopads, als wollte sie den Rest des Besprechungsraums ausschließen. Lieutenant Maxwell Stromboli, der Astrogator, ein fleischiger, dunkelhäutiger und körperlich sehr kräftiger Mann, saß ausgestreckt auf seinem Sessel wie ein gekränktes Kind, das nicht zu schmollen wagt. Der adrette, schlanke Lieutenant Andreas Venizelos saß ihm gegenüber; seine Augen starrten ins Leere, während er mit sichtlicher Resignation auf den Beginn der Diskussion wartete. Dennoch verriet seine Haltung eine Spur Trotz, fast Aufsässigkeit, als wollte der Taktische Offizier Honor herausfordern, ihn doch für die schwache Leistung der Fearless verantwortlich zu machen – und als fürchtete er gleichzeitig, sie könnte es tatsächlich tun.
Captain Nikos Papadapolous saß neben Stromboli, sorgfältig gepflegt in der grün-schwarzen Uniform des Königlich-Manticoranischen Marinecorps; im Gegensatz zu den anderen schien er sich beinahe wohl zu fühlen. Er wirkte seltsam unbeteiligt. Das Corps besaß in vielerlei Hinsicht seine eigenen Gesetze. An Bord eines Schiffes waren Marines stets Außenseiter. Sie waren Infanteristen in einer Navyumgebung und sich des Unterschiedes deutlich bewußt. Im Gegensatz zu den Navyleuten hatten Papadapolous’ Marines sich nichts vorzuwerfen; sie gingen dorthin, wohin das Schiff sie brachte, und wenn die verweichlichten Navytypen, die es steuerten, etwas vermasselten, so war das deren Problem und nicht das des Corps.
Surgeon Commander Lois Suchon hatte den Platz Papadapolous gegenüber. Honor bemühte sich, der Schiffsärztin der Fearless keine besondere Abneigung entgegenzubringen. Das war eine Herausforderung besonderer Art. Honors eigene Eltern waren beide Ärzte. Ihr Vater hatte Suchons Rang erreicht, bevor er in den Ruhestand gegangen war; deshalb wußte Honor genau, welche Unterstützung ein guter Schiffsarzt bieten konnte. Doch Suchon wirkte noch unbeteiligter als Papadapolous. Ärzte waren Spezialisten, sie gehörten nicht zur kämpfenden Truppe und standen außerhalb der Befehlskette. Die schmalgesichtige, eigenwillige Suchon schien an nichts anderem als am Lazarett und der Schiffsapotheke interessiert zu sein. Noch schlimmer, offenbar betrachtete sie die Verantwortung für die Gesundheit der Besatzung als eine Art lästige Bürde. Honor fiel es schwer, einem Arzt so etwas zu verzeihen.
Ihre Augen glitten an Suchon vorbei zu den beiden weiblichen Offizieren links und rechts von McKeon. Lieutenant Ariella Blanding, Versorgungsoffizier der Fearless , war dienstjünger als jeder andere anwesende Offizier und schaute drein, als erwartete sie, jeden Augenblick von der Kommandantin auseinandergenommen zu werden, obwohl ihre Abteilung bisher stets makellos gearbeitet hatte. Blanding war eine kleine Frau mit süßem, ovalem Gesicht und blonden Haaren. Ihre Augen bewegten sich unablässig hin und her wie die einer Maus, die versucht, zu viele Katzen gleichzeitig
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