Auf verlorenem Posten
Eine Sekunde verstrich, dann hörte der Bildschirm auf zu flackern und zeigte eine Abschätzung der Einschläge im Ziel.
Cardones lehnte sich zurück und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Vom Streß der letzten fünfundvierzig Minuten Gefechtsübungen waren seine Schultern verkrampft und hart. Er fürchtete sich fast davor, das Resultat seiner Bemühungen zu überprüfen, doch dann riß er sich zusammen und überwand sich zum Hinsehen – und stutzte überrascht. Dreiundachtzig Prozent für die Energiewaffen, bei Gott! und fast so gut für die Raketen – von fünf abgefeuerten hatten drei getroffen!
»Gut gemacht, Mr. Cardones«, erklang eine Sopranstimme, und er verrenkte sich im Stuhl, nur um die Kommandantin hinter sich stehen zu sehen. Cardones hatte sich immer noch nicht daran gewöhnt, wie leise sie sich bewegte, und nicht im geringsten damit gerechnet, daß sie hinter ihm stehen könnte. Doch dort stand sie, und ihre dunklen Augen wirkten nachdenklich, während sie einen Knopf auf der Konsole des Bahnverfolgungsgasten drückte.
Die komplizierten, korkenzieherähnlichen Vektoren von Cardones’ sorgfältig ausgearbeitetem Annäherungskurs wurden mit hoher Geschwindigkeit abgespielt. Captain Harrington nickte.
»Tatsächlich sehr gut gemacht, Waffen«, lobte sie, und es gelang Cardones gerade eben, sich nicht vor Stolz aufzuplustern. Zum ersten Mal zeichnete die Kommandantin ihn mit dem Lob dieser uralten ungezwungenen Anrede aus, und das war jede Minute des konzentrierten Arbeitens wert – und jede einzelne der mit Übungen angefüllten zermürbenden Stunden, die der Arbeit vorangegangen waren.
Es war mit Sicherheit ein gewaltiger Unterschied zu dem elendigen Tag, an dem er zugeben mußte, das Absetzen der Drohnen vermasselt zu haben.
»Aber«, fuhr Captain Harrington fort und spielte die Aufzeichnung des Bahnverfolgungsgasten noch einmal ab, »was sagen Sie zu diesem Manöver?« Sie hielt die Wiedergabe an und tippte mit dem Finger auf den Bildschirm. Ihr Baumkater streckte den Kopf vor, als wollte er die verschlungenen Lichtstreifen untersuchen, und sah Cardones dann neugierig an.
»Ma’am?« fragte Cardones vorsichtig.
»An diesem Punkt führten Sie einen Dreihundert-Ge-Kurswechsel in der Ebene auf Null Drei Fünf aus«, erklärte sie. Er entspannte sich ein wenig. In ihrer Stimme lag kein Biß; statt dessen klang sie ein wenig wie eine Ausbilderin auf der Akademie. »Er brachte Sie auf den Kurs, auf den Sie wollten, aber sehen Sie sich das an.« Ihr Finger bewegte sich zu den Anzeigen der relativen Orientierung und des Entfernungsmessers. »Sehen Sie, worauf seine Hauptbatterie zeigt?«
Cardones sah es, schluckte und lief rosarot an. »Genau auf die Vorderseite meines Keils, Ma’am«, bekannte er.
»Allerdings. Sie hätten beim Drehen das Schiff kippen und dabei die Ebene wechseln müssen, um sich hinter Ihrem bauchseitigen Verzerrungsband zu verstecken, nicht wahr?«
»Jawohl, Ma’am«, antwortete er und spürte, wie das Hochgefühl zum Teil schwand. Doch die Kommandantin klopfte ihm auf die Schulter und lächelte.
»Lassen Sie den Kopf nicht hängen. Sagen Sie mir lieber, warum der Computer Sie nicht fertiggemacht hat.«
»Ma’am?« Cardones schaute wieder auf das Display und runzelte die Stirn. »Das weiß ich nicht Ma’am. Das Beschießungsfenster war groß genug.«
»Vielleicht, vielleicht auch nicht.« Captain Harrington tippte wieder auf die Anzeigen. »Es ist der menschliche Faktor, Lieutenant. Denken Sie immer an den menschlichen Faktor. Der Taktische Computer ist programmiert, einen Gegner aus Fleisch und Blut zu simulieren und ihm eine angemessene Reaktionszeit zu geben, und diesmal – diesmal , Waffen – haben Sie Glück gehabt. Die Entfernung war so groß, daß Ihr Gegner weniger als drei Sekunden hatte, die Blöße zu sehen, sie als Blöße zu erkennen und die Gelegenheit zu ergreifen, und der Computer entschied, daß er nicht rasch genug reagiert habe, um einen Schuß abzufeuern. Ich halte das für gerechtfertigt, aber Sie sollten in einem echten Gefecht lieber nicht auf so etwas zählen. Richtig?«
»Richtig, Skipper!« antwortete Cardones, grinste wieder, und Honor gab ihm noch einen leichten Klaps auf die Schulter, bevor sie zum Kommandosessel zurückging.
Sie erwähnte nicht, daß sie auf den Displays ihres Kommandosessels die gleiche Gefechtssituation für die gegnerische Seite durchgespielt und dabei auf Cardones’ Manöver in Echtzeit reagiert hatte,
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