Auf zehn verschlungenen Wegen einen Lord erlegen
habe, sollen seine Augen ganz unglaublich blau sein …“
„Sind sie.“
„Ah, sie sind dir also aufgefallen.“
Isabel wurde rot. „Nein, sind sie nicht. Ich habe nur …“
„Er hat dich auf dem Dach geküsst, nicht wahr?“
Isabel sah sie mit großen Augen an. „Woher weißt du das?“
Nun grinste Gwen übers ganze Gesicht. „Ich wusste es nicht. Jetzt schon.“
„Gwen! Das darfst du niemandem erzählen!“
„Das kann ich dir leider nicht versprechen. War es schön?“
Isabels Wangen glühten. „Nein.“
Gwen lachte. „Du warst noch nie eine gute Lügnerin, Isabel.“
„Na gut. Ja, es war schön. Er scheint sehr talentiert im Küssen.“
„Dann solltest du besser aufpassen. Wenn du seinem Charme erliegst, wirst du bald nicht mehr wissen, wie dir geschieht.“
Isabel ließ sich die wohlgemeinten Worte durch den Kopf gehen, doch alles wirbelte durcheinander, geriet außer Kontrolle. Sie lief Gefahr, alles zu verlieren, das ihr etwas bedeutete … das ihr je wichtig gewesen war.
Und dann küsste sie auch noch wildfremde Männer auf undichten Dächern.
Gwen hatte recht.
Sie wusste wirklich nicht mehr, wie ihr geschah.
8. KAPITEL
I hre Bediensteten sind allesamt Frauen.“
Nick lehnte an einem Tisch in der Bibliothek von Townsend Park, auf dem vergessen seine Notizen lagen. Nach dem Abendessen hatte er versucht, sich ganz auf die Skulpturen zu konzentrieren – das Einzige im ganzen Haus, das er zu verstehen glaubte –, es aber bald aufgegeben, da die Wahrheit ihn zu sehr von seiner Arbeit ablenkte. Die Wahrheit über Townsend Park. Und über die Herrin des Hauses.
Sichtlich gelassen sah Rock von seinem Buch auf. „Stimmt.“
„Du weißt es?“
„Ja.“
Nick hob die Brauen. „Und hast es nicht für nötig befunden, es mir zu sagen?“
„Ich wollte sehen, wie lange du brauchst, um es herauszufinden“, meinte Rock achselzuckend.
„Nicht lang.“
„Sie sind nicht allzu gut darin, das Offensichtliche zu verbergen.“
„Allerdings. Ist dir der Lakai aufgefallen, der bei Tisch bedient hat?“
„Du meinst, ob mir seine Brüste aufgefallen sind?“
Nick bedachte seinen Freund mit einem belustigten Lächeln. „Man sollte das Personal nicht auf diese Weise betrachten, Rock.“ Er trat ans Fenster und sah hinaus in die Dunkelheit. Es regnete noch immer in Strömen. „Wozu ein ganzes Haus voll Frauen?“
Rock legte sein Buch beiseite, lehnte sich in seinem Sessel zurück und hob den Blick zur Decke. „Darauf gäbe es einige Antworten, doch keine, die vernünftig scheint.“
„Ich kenne Lady Isabel noch keine zwei Tage, aber ich kann dir jetzt schon versichern, dass ‚vernünftig‘ kaum das Wort ist, mit dem ich ihr Tun beschreiben würde.“ Nick wandte sich zu seinem Freund um. „Eine Art Pensionat vielleicht? Eine Schule für höhere Töchter?“
Rock schüttelte den Kopf. „Das müsste sie nicht geheim halten. Ich tippe auf etwas, das verwerflicher Natur ist.“
Die Vorstellung wollte Nick nicht gefallen. „Das wage ich zu bezweifeln.“
„Wenn sie gegen das Gesetz verstößt, ist das Schicksal ihres Bruders besiegelt“, sagte Rock. „Die Londoner Gesellschaft wird nicht verzeihen, wenn sein Vater und seine Schwester in zwielichtige Geschäfte verwickelt sind.“
„Sie hat kein Geld. Sollte sie sich als Kupplerin betätigen, dann versteht sie sich nicht sonderlich gut aufs Geschäft“, dachte Nick laut nach. „Hältst du es für möglich, dass sie hier ein Bordell führt?“
„Ohne Männerbesuch eher unwahrscheinlich.“
Nick überlegte weiter. „Vielleicht hat der Earl sich ja einen Harem gehalten.“
Rock schien skeptisch. „Würde der Lotterlord sich nicht vor aller Welt damit gebrüstet haben, wenn er sich einen Harem gehalten hätte?“
„Stimmt auch wieder. Aber was ist es dann? Es muss einen Grund haben, dass keine Männer im Haus sind.“
Rock setzte sich auf, als sei ihm gerade eine Idee gekommen.
„Was?“
„Ein Haus voller Frauen.“
„Ja?“
„Vielleicht leben hier nur Frauen, weil sie kein Interesse an Männern haben. Sondern … an Frauen!“
Nick schüttelte den Kopf. „Kann ich mir nicht vorstellen.“
„Denk doch mal nach, Nick. Sie könnten durchaus …“
„Manche vielleicht. Aber nicht Isabel.“
„Das kannst du doch gar nicht wissen.“
„Doch, kann ich.“ Nick bedachte ihn mit vielsagendem Blick. „Isabel ist nicht an sapphischen Freuden interessiert.“
Erkenntnis dämmerte. „Das ging aber
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