AUFBRECHEN! - Warum Wir Eine Exzellenzgesellschaft Werden Muessen
ich verstehe, das kann ich nicht, ich verbinde Sie weiter.« – »Hallo Bettina, legst du bitte die hundertzwei Euro Ausschüttung von Immobilia wieder in Fondsanteilen an?« – »Nein, Gudrun, das darf ich nicht, dass müssen die im Callcenter tun, es ist eine niedrige Routinearbeit. Wie bist du denn überhaupt zu mir telefonisch durchgekommen?« – »Ich habe gelogen und eine Beratung in indischer Währung verlangt, Bettina, ich wollte einfach nur mit dir sprechen.« – »Oh Gott, Gudrun, das mit den Rupien steht hier jetzt als Kundenwunsch von dir im Computer, das hat das Callcenter als Service Request hier eingetragen, was mache ich jetzt? Ich muss dokumentieren, was ich in dem Case getan habe.« – »Schreib, ich konnte mich nicht entscheiden.« – »Dann bekomme ich Strafpunkte, weil ich dich schlecht beraten habe. Ruf bitte nie mehr an, verstehst du?« – »Was willst du damit sagen, Bettina? Bin ich unerwünscht?« – »Gudrun, sei mir nicht böse, aber du bist ein stinknormaler Kunde, der nichts Schwieriges braucht.« Etc. Wer echte Beratung braucht, soll sie bezahlen. Wer sich vom Chefarzt behandeln lassen will, soll Gold mitbringen.
Abwälzen von Arbeit auf den Kunden
Der Kunde soll selbst arbeiten! Das ist natürlich der Königsweg der Einsparung, denn auf diese Weise lassen sich viele Jobs ersatzlos streichen.
Warten
Dieses Phänomen habe ich schon mehrfach erwähnt: Der Kunde wartet, damit der Service-Geber voll ausgelastet ist. Oft warten Topverdiener auf Niedriglohndienstleistungen. Das ist im Sinne des vorigen Abschnittes natürlich absolute Verschwendung. Aber das ist den Unternehmen egal, weil diese Verschwendung sie nichts kostet, solange der Kunde nicht aufbegehrt.
Kunden vor die Alternativen stellen:
Selbstbedienung oder Warten/Zahlen
Man kann Automaten aufstellen, an denen der Kunde die von ihm gewünschte Dienstleistung selbst erbringen kann: Geld abheben, einchecken, Parktickets bezahlen, Bahnfahrkarten ziehen. Daneben gibt es einen Schalter, an dem der Kunde »Service bekommt«. Dort lässt man ihn warten, bis er langsam den Automaten vorzieht. Wenn das nicht klappt, erhebt man einen Serviceaufschlag. Angenommen, Sie kommen 10 Minuten vor der Abfahrt des Zuges in den Bahnhof und brauchen noch eine Fahrkarte. Die Schlange vor dem Schalter ist lang. Was machen Sie? Sie gehen zum Automaten. Das sind Sie noch nicht gewöhnt, Sie laufen hektisch entschlusslos herum, werden ganz nervös, stellen sich in die Schlange und merken, dass es nicht mehr reicht. Sie springen ohne Fahrkarte in den Zug und zahlen dort einen Serviceaufschlag. Das nächste Mal wissen Sie, dass Sie wegen der Schlange im Bahnhof, die unkalkulierbar lang ist, nun immer 20 Minuten vorher da sein müssen. Jedes Mal! Das verärgert Sie. Daraufhin kommen Sie eine Stunde zu früh und üben es selbst am Automaten. Von da ab arbeiten Sie selbst, nicht mehr der Schalterbeamte. In dieser Weise werden Kunden erzogen, die Arbeit selbst zu übernehmen. Es hat bei den Bankautomaten geklappt, es folgen die Bahnautomaten und bald die Check-in-Automaten. Bald gewöhnen wir uns an Automaten schlechthin.
Kunden arbeiten gern an guten Automaten
Wenn die Kunden daran gewöhnt sind, die meisten Probleme direkt mit einem Anruf in einem Callcenter zu lösen, dann ist der Weg von der Standardisierung der Arbeit im Callcenter zur direkten Erledigung durch den Kunden selbst im Internet nicht mehr weit.
Der Kunde kauft, überweist, bucht Flüge und Reisen, er bestellt Papierfotos elektronisch durch Anklicken im Internet, designt Fotokalender und eigene T-Shirts, er trägt seine Einkommensteuerdaten online beim Finanzamt ( ELSTER ) ein – das muss jetzt kein Beamter mehr tun. Er beginnt das eigene Arbeiten zu schätzen, weil er im Internet »in Ruhe« arbeiten kann, er muss nie mehr mit rotem Kopf nervös unter Termindruck in einer Schlange warten.
Der Check-in für den Flug von zu Hause aus ist toll! Man sucht sich einen Fensterplatz aus. Wer vor dem Flug wartet und dann den Service eine Stunde vor Abflug bekommt, muss in der Mitte gequetscht sitzen. Der Kunde bestellt Arznei im Internet und holt sie an der Tankstelle ab – damit hat sich eine Apotheke erübrigt. Der Kunde sucht sich Theaterplätze und Sitze im Fußballstadion aus.
Manchmal ist aber auch der an sich arbeitswillige Kunde bei der eigenen Serviceerbringung überfordert. Er kommt zum Beispiel nicht mit dem Internet zurecht und muss anrufen. Das kostet den
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