Aufbruch - Roman
wir uns dafür alles leisten können! Ein neues Dach, einen Fernseher, das Plumpsklo kam weg. Für eine Waschmaschine, Trommelmaschine, eine Automat, womöglich eine Hoover wie bei Julchen und Klärchen von nebenan, hatte es nicht mehr gereicht.
Ich faltete das Papier auseinander. Noch einmal der Befehl: »Gewinnen Sie!« Ja klar. Aber wie? »Sagen Sie uns, was Sie besonders an Persil 65 schätzen. Für Ihre Antwort gibt es Gold. Viel Gold. Pures Gold.«
Im Kleingedruckten nahm sich das Ganze leider bescheidener aus. Das Goldpaket gab es, doch nur eins. Alles übrige Gold hatte sich schon in vollautomatische Waschmaschinen, Persil-Tragepackungen, Bügelautomaten, Nähmaschinen, Wäschetrockner und »alles, was zur Aussteuer gehört, Handtücher, Bettwäsche, Tischwäsche, Badetücher« verflüchtigt.
Ich klappte das Faltblatt auf. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. In Grün und Rot und reclamheftgroß noch einmal der Markenname. Eine Blondine, die ihre Wange an ein weißes Flauschtuch schmiegte, als hätte sie Zahnweh, eine Vermutung, die ihr verzücktes Lächeln allerdings Lügen strafte. Warum hätte man auch eine Frau mit Zahnschmerzen ablichten sollen?
Vielleicht, weil die herrliche Weichheit des Frotteetuchs den schmerzenden Zahn besiegt, wie das weiche Wasser den harten Stein? Ich rief mich zur Ordnung. Hier ging es nicht um Kalendersprüche, hier ging es um »Das Goldpaket«. Damit auch ich so strahlen würde wie die unter der Blonden abgebildete Brünette. Ihr dunkles Kurzhaar, von einem Band streng aus der Stirn gehalten, im offenbaren Gegensatz zum koketten Gelock der Blonden, ihr dunkles seriöses Haar ganz ernsthaftes Bestreben im Umgang mit Schmutzwäsche. Nichts mehr vom Flirt mit dem Frotteetuch, ade, ihr lockenden Augen. Die Brünette hausarbeitete. Lächelnd, natürlich lächelnd, sogar perlweiße Zähne zeigend - Chlorodont? -, die Augen gesenkt auf das Wesentliche: ein riesiges weißes Tuch, das mühelos, natürlich leicht aus ihren Händen in den Wäschekorb floss. Aufwärts oder hinab? Das war bei dieser zauberischen Luftigkeit nicht zu sagen, die Gesetze der Schwerkraft galten nicht mehr, wo eine Trommelwaschmaschine das Regiment führte. Dorthin schickte der Photograph das Lächeln der Brünetten und aller Augen, die ihrem Lächeln folgten. So war denn das wahre Ziel, die eigentliche Bestimmung des weißen Tuches nicht der Wäschekorb, dem ohnehin nur ein schmaler weidenfahler Rand zugebilligt wurde, sondern Die Automat, die mit Wäschestück und Frau eine Dreieinigkeit bildete. Hinauf also - bezog man Die Automat in das Bild mit ein - floss das Wäschestück, hinauf aus den Strapazen der Reinigung, in die Arme der Frau. Die Arme zum Himmel, unser tägliches Waschpulver gib uns heute. Breite, blau-weiße Querstreifen formten mit den Längsstreifen auf der linken Brust des Kleides ein Kreuz. Weder Hände noch Unterleib der Beschenkten waren zu sehen, das Tuch reichte weit über den Ellenbogen, hier wurde nicht zugepackt, hier wurde empfangen. Oder geboren? Die Trommelwaschmaschine entließ das herrliche Weiß aus ihrer dunklen Höhle ins Helle, die Helligkeit einer fleckenlosen Geburt.
Waschkraft und Pflege, der völlig neue Schaum. Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft: das perfekte Dreiecksverhältnis
zwischen Frau, Wäsche und Automat - und das über allem thronende Waschpulver gab dazu seinen Segen. Ich faltete das Blatt zusammen.
Endlich, sehr klein gedruckt, fand ich die Aufgabe, das Tor zum Tausender: Drei von sechs betörenden Eigenschaften des Waschmittels sollten angekreuzt werden: Wie man mit Persil 65 wasche: a) in der Trommelwaschmaschine (Automat), b) der Bottichwaschmaschine, c) im Kessel. Letzteres tat die Mutter noch immer. Was soll’s, ich brachte mein Kreuz auf den neuesten Stand: Trommelwaschmaschine, na klar. Kritisch wurde es bei der zweiten Frage. Erinnerte der Duft von Persil an a) Lavendel oder b) Flieder? Erlösung brachte die Klammer, die versprach, dass die Teilnahme an der Verlosung nicht von der Beantwortung dieser Frage abhänge. Blieb noch die Antwort, welches »augenblickliche Waschmittel« man gebrauche. Persil 65, was sonst.
Dann aber kam die wirkliche Hürde. Der gültige Fragebogen musste Namen und Adresse eines Einzelhandelskaufmanns tragen. Pieper würde ich eintragen müssen, auch wenn die dann unweigerlich von meinem Goldregen erfahren würden. Sollten sie. Ich würde die Postkarte - ausreichend frankiert - heute noch absenden.
Das zügellose
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