Auferstanden: Thriller (German Edition)
Wirtschaftskriminalität vorweisen. Stratton fand es irgendwie paradox. Nach dem harten Training im Ausbildungszentrum Quantico, in dem ihnen die Fähigkeiten im Schießen und im Nahkampf vermittelt worden waren, hatten sie ihre Glock 23 nicht ein einziges Mal aus den Holstern gezogen. Sie lernten sich gleich am ersten Tag an der Polizeiakademie kennen, und zwischen ihnen herrschte immer ein gewisser Wettstreit. Stratton schien Bracato in allem zu überflügeln, ob es sich um das Schießtraining, Prüfungen oder inszenierte Verfolgungsjagden quer durch die Stadt handelte. Stratton war der bessere Schütze von beiden und vermutlich auch etwas cleverer als sein Freund. Dafür hatte Bracato das Talent, keine Zeit zu vergeuden, sondern gute Gelegenheiten beim Schopf zu packen, wenn sie sich ihm boten. Er hatte sich bereits für nächste Woche mit Holly zum Essen verabredet.
»Was haltet ihr zwei davon, wenn ich uns etwas zu essen besorge?«, fragte Bracato in die kleine Runde.
Holly hob den Blick vom Computer, neben dem hohe Papierstapel lagen, und lächelte zustimmend.
»Klar, wie wäre es mit …?«
Als Stratton den dumpfen Knall hörte, wusste er sofort, was das gewesen war.
»Scheiße«, murmelte er und zog die Pistole. »Holly, gehen Sie in die hinterste Ecke, und bleiben Sie da, bis wir Sie holen.«
In diesem Augenblick hörten sie einen zweiten Schuss. Bracato zog ebenfalls die Waffe und rannte bereits den Gang hinunter.
»Wer zum Teufel versucht, sich den Weg in eine Asservatenkammer freizuschießen?«, sagte Bracato. »Die kommen hier niemals rein.«
Dann hallte plötzlich der dumpfe Knall einer Explosion durch die Gemäuer. Unmittelbar darauf folgte das Klirren von splitterndem Glas.
»Verdammte Scheiße«, flüsterte Bracato, als Stratton bei ihm ankam. Sie liefen beide den Hauptgang hinunter und versteckten sich etwa sieben Meter vom Eingang entfernt zwischen den vier Meter hohen Regalreihen. Der Lärm aus dem Büro drang bis zu ihnen.
Bracato schaute Stratton fragend an.
»Es besteht nicht der geringste Zweifel, dass die hier reinkommen. Versteck dich zwischen den Regalen. Wenn du einen ausgeschaltet hast, musst du umgehend deine Position verändern, damit sie dich nicht finden.«
Ein dürrer, rothaariger Mann in einem Sakko rollte in den Raum und verschwand blitzschnell in der ersten Regalreihe. Bracato sah, dass er sich umdrehte und einem zweiten, größeren Mann ein Zeichen gab. Dieser kam mit erhobener Waffe herein und schwenkte sie von einer Seite zur anderen. Bracato erkannte an der Art und Weise, wie sie ihre Waffen hielten, und den Positionen, die sie einnahmen, dass sie einer Polizeibehörde angehörten.
Zwei Reihen von den Männern entfernt versteckte Bracato sich hinter den Regalen und dachte angestrengt nach, während er die beiden beobachtete. Die Regale behinderten die Sicht auf den größeren Mann, doch Bracato sah durch die Ritzen zwischen den Kassetten, dass er ein paar Schritte weiterging. Bracato fiel sein konzentrierter Blick auf. Dieser Mann war nicht hier, um jemanden zu verhaften. Er war hier, um zu töten.
In dieser Sekunde traf Bracato eine Entscheidung. Er duckte sich und schlich leise den schmalen Gang entlang, während er durch die Lücken zwischen den Kassetten auf den Mann starrte. Dieser näherte sich ihm und war jetzt nur noch drei Meter entfernt.
Bracato legte einen Finger auf den Abzug. Er traf ein kleines Ziel aus dreißig Meter Entfernung. Drei Meter waren also eine Kleinigkeit. Allerdings hatte er noch nie jemanden erschossen. Dieser Mann wäre der Erste. Und Bracato hatte nicht die Absicht, ihn mit dem Schuss außer Gefecht zu setzen, ihm ins Bein oder in den Arm zu schießen. Er wollte ihn töten, denn es stand fest, dass dieser Mann ihn töten würde, wenn er die Chance dazu hätte.
Er visierte den Eindringling auf Schulterhöhe an und wartete, dass er in sein Sichtfeld trat.
Und dann schoss die Kugel durch Bracatos Brust. Sie drang durch die linke Seite seines Rückens ein, durchbohrte die Lunge und streifte das Herz. Bracato stürzte mit dem Gesicht auf den Boden.
Er war so sehr auf den großen Mann fixiert gewesen, dass er den anderen weder gesehen noch gehört hatte.
Bracato wurde brutal auf den Rücken gedreht. Der große Mann, der als Köder gedient hatte, beugte sich hinunter und nahm ihm die Waffe aus der Hand.
»Wo ist dein Partner?«
Bracato starrte dem Mann in die Augen. Er hatte ein Allerweltsgesicht, das in der Menge kaum auffiel und
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