Auferstanden: Thriller (German Edition)
geboren war. Er sprach von der großen, nahe gelegenen Insel, auf deren Südseite die Stadt die Ärmsten der Armen in anonymen Gräbern begraben hatte. Auf dem prächtigen Anwesen dort von Marguerite Trudeau hatten sich fünfzig Jahre lang die Reichen und Mächtigen zu ihren wöchentlichen Sommerpartys getroffen.
Für Mia wäre es kein Problem gewesen, zwei Meilen weit zu schwimmen, doch im Wasser wäre sie ein leichtes Ziel für die Männer, die sich ihr näherten. Sie hörte schon die Schritte ihrer Verfolger. Ohne länger zu zögern, drehte sie sich um und rannte zurück in den Wald.
Sie lief Richtung Süden – das vermutete sie jedenfalls. Fünf Minuten lang bahnte sie sich einen Weg durch den Wald und entfernte sich immer weiter von dem Haus. Mia hörte ihre Häscher nicht weit hinter sich. Ihre Schritte kamen nun aus zwei verschiedenen Richtungen. Offenbar hatten sie sich aufgeteilt, um sie in die Enge zu treiben.
Ein heftiger Regenschauer setzte ein. Innerhalb von dreißig Sekunden war Mia vollkommen durchnässt. Es donnerte nicht weit entfernt, sodass der Boden, über den sie lief, erbebte und das unheimliche Grollen sie bei jedem Schritt zusammenzucken ließ.
Ehe Mia sich versah, befand sie sich auf dem verwilderten Armenfriedhof, der Welt der Toten, wo unzählige Wesen – von der Welt vergessen – unter ihren Füßen begraben lagen. Überwucherte Grabsteine standen zwischen den hohen Bäumen. Ihre Wurzeln waren tief in das Reich der Toten hineingewachsen, zogen sie aus der Erde heraus und verliehen dem Wald eine Atmosphäre drohenden Unheils.
Das Gewitter war schon in unmittelbarer Nähe. Die dunklen Wolken verdeckten den Mond, wodurch der Wald in nahezu vollkommene Finsternis getaucht wurde. Mia stolperte und stürzte zu Boden. Sie kroch ein paar Meter durch den Schlamm, bis sie wieder festen Boden unter den Füßen hatte. Das Prasseln des Regens und das unaufhörliche Donnern übertönten alle anderen Geräusche, daher konnte sie ihre Verfolger nicht mehr hören. Während Mia sich auf dem Armenfriedhof in alle Richtungen drehte, stieg entsetzliche Angst in ihr auf. Sie hatte das Gefühl, am Rande des Todes zu stehen, und rechnete jeden Moment damit, von einer Kugel getroffen zu werden.
Trotz des Donners und Blitzes vernahm sie plötzlich wieder ein Geräusch, und sein Verursacher war keine zehn Meter von ihr entfernt. Mia erstarrte. Sie umklammerte fest die Waffe, legte den Finger auf den Abzug und wartete auf den Tod.
Ein lauter Donnerschlag erschütterte die Nacht, der unmittelbar folgende Blitz erhellte für den Bruchteil einer Sekunde die Dunkelheit ringsherum: zertrümmerte Grabsteine, umgestürzte Bäume, wild wuchernde Sträucher. Nach dem Aufleuchten des Blitzes sah Mia im ersten Moment nur schwarze Punkte vor Augen, die ihr fast gänzlich die Sicht nahmen.
Dann hörte sie wieder ein Rascheln, erneut nur wenige Schritte entfernt. Sie richtete die Waffe in die Richtung, aus der die Geräusche kamen, und drückte ab. Einen winzigen Augenblick erhellte das Mündungsfeuer ihre Umgebung. Mia erblickte zwei Verfolger, über deren wütende Gesichter der Regen rann. Das Haar klebte auf ihren Köpfen. Sie wirbelten herum und feuerten mehrmals in die Richtung ihres Schusses.
Eine halbe Sekunde ehe sie den Schuss erwiderten, drehte Mia sich nach links herum. Mit zitternden Knien rannte sie ziellos und immer wieder stolpernd davon. Als sie gegen einen zerbrochenen Grabstein prallte und umknickte, unterdrückte sie einen Schmerzensschrei. Mia hockte sich hin und versteckte sich, von Angst erfüllt, zwischen den Toten.
Sie hielt die Waffe so, als könnte sie ihre Angreifer und das Unheil damit abwehren, und zielte blind in die Dunkelheit. Nie zuvor in ihrem Leben hatte sie sich so einsam und dem Tod so nahe gefühlt.
Mia glaubte, wieder Geräusche zu hören. Es waren aber nicht die Schritte ihrer Verfolger, sondern ein Rumpeln unter der Erde, als wären die Seelen der Verstorbenen gestört worden.
Und plötzlich sackte Mia tief in die Erde hinein.
Cristos trat von dem großen Speedboot auf den Steg, der in der aufgewühlten See stark schwankte. Die beiden Schiffe schlugen gegen ihre Anlegeplätze, als die Wellen alles überspülten, als wollten sie es mit sich hinaus aufs Meer ziehen. Ohne dem Unwetter die geringste Beachtung zu schenken, lief Cristos den Steg hinunter ans Ufer, wo Jacob, der vollkommen durchnässt war, auf ihn wartete.
»Was zum Teufel machen Sie hier?«, fragte
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