Auferstanden: Thriller (German Edition)
Cristos.
»Die Frau ist entkommen.« Jacobs rechte Schläfe war geschwollen und hatte sich bläulich verfärbt. Sie gingen gemeinsam auf das Haus zu.
»Von der Insel?«
»Nein.«
Schweigend setzten sie den Weg fort, bis sie die Eingangstür erreichten. Als Cristos die Patronenhülsen auf der Erde sah, drehte er sich zu Jacob um.
»Wurde auf sie geschossen?«, fragte Cristos in ruhigem Ton, obwohl er sichtlich verärgert war.
Jacob erwiderte nichts.
»Wenn sie stirbt, sterben Sie alle. Wo sind die anderen?«
»Alex und Rizzoli suchen sie.«
»Und sie können sie nicht finden?«
»Sie haben sie aus den Augen verloren. Plötzlich war sie verschwunden, als hätte sie sich in Luft aufgelöst.«
Mia geriet in Panik. Sie war in eine mit Wasser gefüllte Grube gefallen und hatte dabei ihre Waffe verloren. Verzweifelt klammerte sie sich an die matschigen Wände, um Halt zu finden, und versuchte, aus der Grube herauszuklettern. Es war stockdunkel, doch dann erhellte ein Blitz die Nacht. Das Licht drang bis in ihr Grab, und Mia erhaschte einen kurzen Blick in ihr Gefängnis.
Sie stand in einer behelfsmäßigen Gruft, in der zahlreiche Leichen übereinander begraben worden waren, als auf diesem Friedhof nicht mehr genug Platz zur Verfügung gestanden hatte. Und so wurden sie ihrer Würde beraubt, allein ihre ewige Ruhe zu finden.
Mia war umringt von vermoderten Skeletten und zerfetzter Kleidung, die vergebens versuchte, die einst menschlichen Körper zusammenzuhalten. Der durch den starken Regen aufgeweichte Boden hatte unter ihrem Gewicht nachgegeben und sich wie ein Grab geöffnet. An diesem Ort war seit Jahrzehnten niemand mehr gewesen, und seit den Siebzigern wurde er nicht mehr instand gehalten.
Es blitzte zwar nur ab und zu, doch sie brauchte gar nicht hinzusehen, um zu wissen, dass das schon über einen Meter hohe Wasser schnell anstieg. Mia war furchtbar erschöpft und das Wasser so kalt, dass sie nicht lange durchhalten würde. Wenn sie nicht vorher ertrank, würden die aufgeweichten Wände bald über ihr zusammenbrechen und das Grab wieder auffüllen. Sie würde elendig zwischen den Toten verrecken, und niemand würde sie jemals finden.
Jack saß in dem mit Teakholz getäfelten Salon der Hatteras-Jacht. Frank stand am Ruder und steuerte das Boot durch die aufgewühlte See. Seit dem Anruf seiner Frau war Frank schweigsam geworden und antwortete ihm nur noch einsilbig. Vermutlich war er entweder sauer oder besorgt, oder er fürchtete sich vor dem, was sie erwartete. Jack kannte Frank schon so lange, dass er sich längst an seine Eigenarten gewöhnt hatte. Er war mit den starken Armen eines Kämpfers, dem scharfen Verstand eines Soldaten und dem Temperament eines Wachhundes noch immer derselbe wie damals als junger Mann. Jack hätte ihn nicht gerne zum Feind gehabt. Es gab kaum jemanden, den er von allen lebenden oder verstorbenen Menschen, die er kannte, lieber an seiner Seite gehabt hätte, als er sich nun aufmachte, um sich der größten Herausforderung seines Lebens zu stellen.
Die Besitztümer von Marijha Toulouse hatte Jack alle in einen Rucksack gepackt und die beiden Bücher gemeinsam mit Frank aufmerksam durchgesehen. Es fehlten noch immer einige Puzzleteile. Er verstand, dass das FBI dieses Buch mit der Abschussliste unbedingt haben wollte. Jack war sich aber auch sicher, dass Cristos noch andere Motive bewegten. Da musste noch etwas sein, was er nicht sah.
Er zog Toulouse’ Reisepass aus dem Rucksack, schaute sich alle Visastempel an und stellte sich alle Orte vor, an die Toulouse im letzten Monat gereist war. Jack blätterte zurück an den Anfang und starrte auf das Bild. Toulouse ähnelte Cristos ein wenig, doch da war noch etwas … Sein Blick fiel auf den Dolch und die Gebetskette.
Schließlich wandte Jack seine Aufmerksamkeit dem Tattoo auf seinem Unterarm zu. Jetzt erinnerte er sich wieder, dass dieser Mann die Worte geschrieben hatte. Er sah ihn neben sich am Ufer des Flusses knien.
Jack schloss die Augen und versuchte, die Erinnerung zu entfachen. Er sah das tosende Wasser des Flusses, das im Mondlicht schimmerte …
»Haben Sie Ihr die Halskette gegeben, Jack?«, flüsterte der Mann.
Endlich wusste Jack, wer aus dem Wald gekommen war, wer die Worte auf seinen Arm geschrieben und wer ihn gerettet hatte.
Und das war unmöglich …
… denn dieser Mann war in der letzten Woche gestorben.
Toulouse, der die Schriftzeichen auf seinen Unterarm schrieb, machte eine Pause, hob den
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