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Auferstanden: Thriller (German Edition)

Auferstanden: Thriller (German Edition)

Titel: Auferstanden: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Doetsch
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sein Spiegelbild nicht mehr sah, als er sein T-Shirt auszog.
    Im Gegensatz zu dem makellosen Gesicht wies sein Körper zahlreiche Narben auf. Das schauerlich weiße, wulstige Fleisch auf der linken Seite war wieder zusammengewachsen. Sein Rücken war kreuz und quer von Striemen überzogen, die er wie eine Auszeichnung für das Überleben der Folter während der Gefangenschaft trug. Die Narben auf der rechten Seite sahen aus, als wäre vom Halsansatz geschmolzenes Wachs heruntergeflossen. Der Anblick stieß ihn ab, und jeder, der einen Blick darauf warf, bekam einen mächtigen Schreck. An den Stellen, an denen die Haut verbrannt war, fehlte ihr der leicht gebräunte Teint, den der restliche Körper aufwies. Die transplantierte Haut spannte sich grotesk über den dicken Muskeln und bildete sonderbare Falten, wenn Cristos sie beugte oder anspannte. Die qualvollen Schmerzen nach den zahllosen Operationen hatten monatelang angedauert und sich ihm für immer ins Gedächtnis gebrannt.
    Es grenzte fast an ein Wunder, dass Cristos’ Gesicht trotz der Brutalität, die er erleiden musste, nicht den geringsten Makel aufwies. Es offenbarte niemals, was sich unter den Designer-Anzügen verbarg, die er in letzter Zeit gerne trug. Seinen übel zugerichteten Körper hielt er ebenso geheim wie die Gewalt in seinem Herzen.
    Cristos zog einen schwarzen Armani-Anzug sowie ein gestärktes weißes Hemd an, band eine blassblaue Seidenkrawatte um und betrachtete sich im Spiegel. Er nahm zwei Autoinjektoren für Adrenalin von der Ablage und steckte sie in die Brusttasche. Anschließend verließ er das Schlafzimmer und betrat das kleine Wohnzimmer, das wie ein Büro aussah. Das pechschwarze Haar hatte er zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Cristos’ Hände waren perfekt manikürt, und am linken Handgelenk trug er eine goldene Uhr. In diesem Aufzug ähnelte er einem kultivierten Wall-Street-Manager. Er setzte sich an einen großen Schreibtisch und starrte auf den langen, schwarzen Metallkasten auf der Anrichte in der Ecke. Auf einer Seite stand die Nummer 7138. Doch er wandte seine Aufmerksamkeit schnell den zahlreichen Monitoren zu. Der erste zeigte die Salden der Bankkonten in Sri Lanka, in der Schweiz und in Prag, die jeweils über fünfzig Millionen Dollar betrugen. Jedes Konto lief auf den Namen einer von zahlreichen Briefkastengesellschaften, die auf trickreiche Weise miteinander verbunden und rechtlich selbstständig waren. Sie hielten Beteiligungen an Immobilien sowie an Textil- und Produktionsbetrieben.
    Auf dem zweiten und dritten Monitor wurden die neuesten Geheiminformationen, Geschäftsvorgänge und Fotos seiner zahlreichen Angestellten und Verträge angezeigt.
    Cristos’ Computersystem war durch ein Verschlüsselungssystem gesichert, auf das jede Regierung neidisch gewesen wäre. Mitunter griff er auch auf andere Methoden zurück, um bestimmte Geheimnisse zu bewahren.
    Im Gegensatz zu Unternehmen, Regierungen und Institutionen vertraute Cristos seine wichtigsten Informationen keinem Silikonchip an. Ihm war schon in frühen Jahren beigebracht worden, dass es keinen besseren und undurchdringlicheren Ort als den eigenen Kopf gab, wenn man Dinge geheim halten wollte. Computer konnten gehackt, Tresore aufgebrochen und Mitarbeiter durch Bestechung oder Drogen unter Druck gesetzt werden. Doch obgleich Cristos über einen scharfen Verstand und ein ausgezeichnetes Gedächtnis verfügte, sah auch er sich gezwungen, einige Informationen aufzuzeichnen. In seinem Heimatland, einer vergessenen Welt, in der man die Technologie zugunsten eines traditionellen spirituelleren Lebens verbannt hatte, existierten Methoden, deren Einfachheit in modernen Gesellschaften in Vergessenheit geraten war.
    Cristos stand auf und ging zu dem Tisch, auf dem die rechteckige Kassette stand. Er nahm eine kleine Börse aus der Brusttasche seiner Anzugjacke, öffnete sie und zog zwei kleine Metallstäbe heraus. Einer war L-förmig und der andere mit mehreren Zacken versehen. Er kniete sich vor die Kassette, steckte die beiden Stäbe in das Schloss auf der Vorderseite und knackte mit den behutsamen Händen eines Chirurgen das Schloss. Nachdem Cristos das Werkzeug wieder in die Börse gelegt und diese in die Brusttasche gesteckt hatte, stand er auf, klappte den Deckel auf und spähte hinein.
    Eine ganze Weile starrte er in die Kassette, griff schließlich hinein und nahm einen Umschlag heraus. Als er ihn aufriss, kam eine handgeschriebene Notiz zum Vorschein.

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