Auferstanden: Thriller (German Edition)
fragte aber nicht weiter nach. »Es kann eine Stunde dauern oder auch vierundzwanzig. Ich weiß es wirklich nicht. Das ist eine dieser Situationen, in denen ich froh wäre, es hinter mir zu haben, und mich andererseits vor dem Ende des Einsatzes fürchte. Sag mal, warum bist du eigentlich gekommen?«
»Du musst mich anrufen, wenn ihr die Leichen gefunden habt. Jacks Eltern haben es erfahren, weil es in der Zeitung stand. Ich will nicht, dass sie noch einmal mit einer solchen Schlagzeile konfrontiert werden. Sie verdienen ein wenig Respekt.«
Daly nickte. »Hast du noch dieselbe Handynummer?«
»Meinst du, du könntest mich über eure Fortschritte auf dem Laufenden halten?«
»Klar«, erwiderte Daly und musterte Frank. »Wir wissen beide, dass mehr dahintersteckt als ein Autounfall und das, was du mir sagst.«
Frank atmete tief ein. Offenbar spürte Daly, dass er ihm etwas verschwieg, doch mehr konnte er ihm zu diesem Zeitpunkt nicht sagen.
»Dann viel Glück«, sagte Daly in ernstem Ton.
Er drehte sich gerade um, als seine Taucher aus dem Wasser stiegen. Langsam zählte er sie zwei Mal, ehe er einem Mann mit einem Schutzhelm, der neben dem Kran stand, einen Blick zuwarf. Daly gab ihm grünes Licht, und Sekunden später wurde das leise Dröhnen des Motors lauter. Die Winde begann sich zu drehen und wickelte das Drahtseil auf. Alle verfolgten gespannt das Geschehen. Sie hatten Angst vor dem, was sie gleich sehen würden, und konnten doch die Blicke nicht abwenden. Und dann geriet das Wasser in Bewegung, und fast wie in Zeitlupe tauchte der Tahoe wie Phönix aus der Asche auf. Als nach dem Kofferraum auch noch andere Teile des Wagens aus dem Wasser ragten, wurde der extreme Schaden sichtbar. Die rechte Hälfte war so stark eingedrückt, als hätte jemand mit einem riesigen Vorschlaghammer auf die Tür geschlagen. Auch die Fahrerseite war komplett zerstört. Immer mehr von dem Vehikel kam zum Vorschein, bis der Tahoe in der Luft baumelte und die gesamte Front zu sehen war. Frank hatte das Gefühl, die Ah- und Oh-Rufe der Leute zu hören, als ihr Blick auf das zerquetschte Vorderteil fiel. Die Windschutzscheibe fehlte und die Tür auf der Fahrerseite ebenfalls. Aus den Türen und dem zusammengestauchten Motorraum strömte Wasser, als der Wagen zu der Brücke in fünfzehn Meter Höhe hochgezogen wurde.
Als Frank die Uferböschung wieder hinaufstieg, wusste er, dass sie keine Leichen finden würden. Die Taucher würden den ganzen Tag bis in die Nacht hinein suchen, bis sie begriffen, was er bereits wusste. Die Leichen von Jack und Mia lagen nicht in dem Fluss.
Jack saß auf dem Beifahrersitz von Franks Jeep. Da der Wagen weitab vom Geschehen stand und noch immer mit den Nummernschildern der New Yorker Polizei versehen war, zollte ihm niemand die geringste Aufmerksamkeit. Jack hatte eine dunkelblaue Baseballmütze von den Yankees aufgesetzt, aber auf eine Sonnenbrille verzichtet – die bevorzugte »Verkleidung« für Menschen, die anonym bleiben wollten. Oft wurde nämlich genau das Gegenteil des erwünschten Effektes erreicht. Menschen mit Sonnenbrillen zogen Aufmerksamkeit auf sich, weil sie verdächtig oder berühmt aussahen oder zumindest wie jemand, der einen zweiten Blick verdiente.
Seitdem Jack das Haus seiner Eltern wieder verlassen hatte, war er noch verwirrter. Er wusste nicht, was ihn mehr beunruhigte, seine weinende Mutter oder sein Vater, der auf Hope und Sara achtgab. Nachdem er aus dem Haus herausgelaufen war, hatte er eine Viertelstunde geschwiegen. Jack hätte Frank beinahe von der Begegnung mit seinem Vater erzählt. Sein Freund Frank wusste von ihrem schlechten Verhältnis, der Kritik, die sein Vater immer an ihm übte, und der tiefen Kluft zwischen ihnen. Doch er besann sich eines anderen. Mit seinem Vater würde er sich später auseinandersetzen.
Obwohl die Kinder bei seinen Eltern waren und Jack wusste, dass sein Vater über sie wachte, bat er Frank, seinen Freund Ben anzurufen. Der ehemalige Soldat, der Dummköpfe nicht ausstehen konnte, bezog am Beginn der einzigen Zufahrtsstraße zum Haus seiner Eltern Position. Er parkte seinen Wagen am Straßenrand, und dort würde er bleiben, bis Frank ihm Entwarnung gab. Bis dahin wollte er dafür Sorge tragen, dass sich niemand Jacks Töchtern näherte.
Jack kam die ganze Situation unwirklich vor, als er in der Ferne die Menge stehen sah, die sich dort in kollektiver Trauer über seinen und Mias angeblichen Tod versammelt hatte. Er hatte sich
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