Auferstanden: Thriller (German Edition)
die Person, mit der er hier am wenigsten gerechnet hatte. In all den Jahren war sie nur einmal in seinem Büro gewesen. Damals brauchte sie seine Unterschrift auf den Verträgen zur Umschuldung ihrer Hypothek.
»Ich wollte dich nicht erschrecken.« Mia saß auf der alten, rissigen Ledercouch und trug einen knielangen schwarzen Bleistiftrock und eine weiße Bluse. Sie war viel modischer gekleidet als jede FBI -Agentin, die Jack jemals gekannt hatte. Neben ihr auf der Couch stand ein langer schwarzer Metallkasten.
»Diese verdammte Joy«, sagte Jack mit einem gequälten Lächeln. »Sie hätte mir sagen können, dass du hier bist.«
Mia lächelte. »Ich habe ihr gesagt, dass ich dir einen Schreck einjagen will.«
»Das ist dir ja gelungen.« Jack lachte.
Er ging zu ihr, beugte sich hinunter und küsste sie zärtlich. Aufgrund ihrer unterschiedlichen Arbeitszeiten kam es selten vor, dass sie sich morgens sahen. Jack hoffte, dass ihr Leben eines Tages wieder mehr im Einklang verlief, doch er wusste, dass er darauf noch viele Jahre warten musste. Im Augenblick forderten die anspruchsvollen Jobs, die sie beide ausübten, ihren vollen Einsatz. »Danke übrigens, dass du mir wieder deinen Wagen mit dem leeren Tank in die Garage gestellt hast.«
»Tut mir leid …« Mia legte ihr bezauberndes Lächeln auf, das Jacks Wut immer sofort verrauchen ließ. Er liebte sie so sehr, dass sie ihm die Hände abhacken könnte und er sich noch immer mit einem Lächeln bedanken würde.
»Kein sehr schmeichelhafter Artikel«, sagte Mia und zeigte auf die Zeitung, die Jack in der Hand hielt.
»Du musst nicht alles glauben, was in der Zeitung steht«, erwiderte Jack und warf sie in den Papierkorb. Dann sah er Mia besorgt an, denn es war mehr als ungewöhnlich, dass seine Frau ihn im Büro aufsuchte. »Ist alles in Ordnung?«
Mia nickte und stand von der Couch auf. »Ja.«
Jack bemerkte jedoch, dass etwas nicht stimmte. Sein Blick fiel auf die Kassette auf der Couch.
Mia ging zum Fenster und schaute auf den Hafen. »Du weißt, dass wir dieses Büro nie richtig eingeweiht haben.«
Jack runzelte die Stirn und spähte durch die offene Tür zu Joy hinüber, die eifrig auf die Tastatur tippte. Er hoffte, dass sie Mias zweideutige Bemerkung nicht gehört hatte, und schloss schnell die Tür.
»Hm. Dir gefällt der Gedanke.« Mia drehte sich um und setzte sich auf die Fensterbank. Ihre langen Beine kamen jetzt noch besser zur Geltung, und ihre Augen strahlten fröhlich. »Damit habe ich nicht gerechnet.«
»Mia«, sagte Jack lächelnd. »So gerne ich das Ereignis auch vier Jahre nach meinem Umzug in dieses Büro feiern und so gerne ich auch den Rest deiner hübschen Beine sehen würde, so sicher bin ich mir, dass du nicht deshalb hierhergekommen bist.«
»Du musst mir einen großen Gefallen tun.«
»Dann frag mich doch einfach.«
»Du musst diese Kassette mit Beweismaterial in eure Asservatenkammer bringen.« Mia zeigte auf den Kasten auf der Couch.
»Ist sie beim FBI nicht sicher genug aufgehoben?«
Mia antwortete ihm nicht.
Jack musterte sie, und seine Sorge wuchs. »Möchtest du mir sagen, was los ist?«
Mia schüttelte den Kopf.
Jack ging zu der Couch und nahm die Kassette in die Hand, eine dieser Standard-Kassetten für die Aufbewahrung von Beweisen. Sie hatte eine Größe von fünfundzwanzig mal sechzig Zentimetern und ähnelte der Kassette eines Bankschließfaches. Der Deckel war an der hinteren schmalen Seite mit einem Scharnier befestigt, und auf der Vorderseite befand sich ein Zylinderschloss. In den Deckel war die Chiffre FBI 7138 eingestanzt.
»Möchtest du mir sagen, was es damit auf sich hat?«
»Es ist besser, wenn du es nicht weißt.«
Sie schwiegen beide einen Moment, während tausend ungefragte Fragen zwischen ihnen standen. Sie hatten beide ihre Geheimnisse. Es gab Dinge in ihren Jobs, über die sie nicht sprachen: Fälle, Ermittlungen, Gerüchte. Das lag in der Natur ihrer Berufe. Jack und Mia waren immer offen und ehrlich zueinander und sprachen sogar jene Wahrheiten aus, die mitunter schwer zu ertragen waren. Das war die Grundlage ihrer Liebe. Sie erzählten sich auch oft die abenteuerlichsten Geschichten, berichteten über Erfolge und Niederlagen und gaben sich Tipps, wie es Eheleute zu tun pflegen, doch es gab in ihren jeweiligen Jobs Dinge, über die sie nicht sprechen konnten.
»Mia, ich habe dir niemals Fragen gestellt und dir niemals gesagt, wie du deinen Job machen sollst.« Jack starrte sie an.
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