Auferstanden: Thriller (German Edition)
für sie einen stetigen Wohnortwechsel – achtzehn Wohnungen in dreizehn verschiedenen Staaten in vierzehn Jahren.
Obwohl Mia im Jugendalter schon achtzehn Mal umgezogen war, nahm sie ihrem Dad das niemals übel. Wenn er eines Tages nach Hause kam und wieder einmal verkündete, dass eine neue aufregende Aufgabe in einem fremden Land auf ihn wartete, stimmte sie diese Nachricht dennoch immer ein wenig traurig. Es war nicht einfach für sie, plötzlich wieder aus ihrem Umfeld herausgerissen zu werden, nachdem sie gerade Fuß gefasst hatte, doch dafür waren sie wenigstens zusammen. Viele Kinder von Soldaten sahen ihre Väter – und mitunter auch ihre Mütter – sechs Monate oder noch länger nicht. Viele küssten ihre Eltern sogar zum letzten Mal, wenn sie sich verabschiedeten und nicht wussten, dass sie sie auf dem Schlachtfeld verlieren würden. Mia hatte das Glück, dass ihr Vater bereits zehn Jahre auf Schlachtfeldern in der ganzen Welt gekämpft hatte, ehe sie drei Jahre alt war. Sein von Narben kleinerer Verletzungen übersäter Körper bewies es. Nur über Joes Hals zog sich eine etwas längere hässliche Narbe, die Mia oft mit dem Finger nachzeichnete. Seitdem Joe als Analytiker arbeitete, schnitt er sich nur noch an Papier oder litt am Jetlag. Die Gefahr, für sein Vaterland zu sterben, gehörte der Vergangenheit an.
Seitdem Mia ein kleines Kind war, träumte sie vom Fliegen. Sie schaute auf die Vögel, die sich in die Lüfte erhoben und sich von den Aufwinden tragen ließen. Der Luftstrom trug sie immer höher und höher, bis sie dann im Sturzflug zur Erde zurückkehrten. Es waren die Fantasien eines Kindes, über die Mia mehr als einmal mit ihrem Vater gesprochen hatte. Sie lagen auf einer Wiese oder am Strand und starrten auf die Wolken und die Vögel, die dort umherflatterten. Ihr Vater regte sie dazu an, ihrer Fantasie freien Lauf zu lassen und forderte sie auf, die Augen zu schließen und sich das Gefühl vorzustellen, hin und her zu fliegen.
Ihre Mutter Pat schimpfte immer mit ihm, weil er sie zu diesen Fantasien ermunterte. Doch ihr Dad lachte nur, drehte sich zu Mia um und sagte das, was er immer sagte, wenn er Widrigkeiten gegenüberstand: »Denk daran, Mia, nichts ist unmöglich.«
Mia liebte ihren Vater. Sie liebte ihn, weil sie beide eine Schwäche für Fast Food, Süßigkeiten, Chips, Filme, den frühen Rock ’n’ Roll, Sport und Rätsel hatten. Im Gegensatz zu den Vätern anderer Kinder, die eher durchschnittlich aussahen, war Joe Sullivan ein gut aussehender, großer Mann mit breiten Schultern. Er hatte Mitleid mit seiner Tochter und wusste, wie schwer es für sie sein musste, ihre Kindheit für seine Karriere zu opfern. Und daher versuchte er, sie zu entschädigen. In seiner Freizeit spielte er nicht etwa Golf oder Karten oder verließ schnell das Haus, um einem Hobby nachzugehen. Nein, er verbrachte seine Freizeit mit Mia, brachte ihr das Segeln und Schießen bei und brachte ihr die Kulturen nahe, in denen sie sich oft nur für sechs Monate aufhielten. Ihr Dad erklärte ihr, wie wichtig es sei, einen Beruf zu haben, der einen glücklich machte, und dass man schmerzliche Opfer bringen müsse, um seine Träume zu verfolgen. Er sagte, dass der Wert des Lebens nicht in materiellem Reichtum bestehe, sondern in dem Reichtum des Lebens, dem Glück, jemanden zu lieben und andere wichtiger zu nehmen als sich selbst. Einfache Weisheiten, die so viele vergessen hatten.
Es war an einem Freitag, als Mia genau vierzehneinhalb Jahre alt wurde. Ihr Vater hatte sich angewöhnt, nicht nur richtige Geburtstage zu feiern, sondern auch halbe Geburtstage. Joe Sullivan sagte immer, man solle nicht nur einmal im Jahr jemanden glücklich machen. Seit drei Tagen lebten sie alle drei wieder in den Vereinigten Staaten. Sie hatten in der Nähe der Naval Air Station Oceana, einem Militärflugplatz der Marine in Virginia Beach, ein kleines Haus bezogen. Es war ein Morgen im Spätfrühling. Die Schule begann erst in einer Stunde. Ihre Mutter packte Kartons aus und bereitete das Frühstück zu, als ihr Dad sich in Mias Zimmer schlich und sie entführte, um gemeinsam mit ihr einen wunderschönen Tag zu verbringen.
Sie öffneten die Fenster, stellten das Radio auf volle Lautstärke, legten die beiden Taschen mit den Chips, Süßigkeiten und dem Mineralwasser auf den Sitz zwischen sich und machten sich aus dem Staub.
Als sie an der NAS Oceana ankamen, fuhren sie um einen Trupp Straßenarbeiter herum, die in der
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