Auferstanden: Thriller (German Edition)
Morgen glaubte, er sei gestorben, hatte sie entsetzlich gelitten. Eine erneute Hiobsbotschaft würde sie nicht verkraften.
Jack wusste wirklich nicht, wie er der Welt sagen sollte, dass er sterben würde. Er verstand es meisterhaft, andere Menschen in ihrem Kummer und Leid zu trösten und sie mit weisen, vernünftigen Worten aufzubauen. Anderen bot er immer eine Schulter zum Ausweinen an, doch ihm gefiel die Vorstellung nicht, nun die Rollen zu tauschen.
Die Ärzte sagten, sie könnten mit einer Chemotherapie und einer Bestrahlung beginnen, aber dadurch würde der Tod nur hinausgezögert. Eine Heilungschance bestand nicht. Und eine derartige Therapie würde zweifellos seine Lebensqualität verschlechtern, die er momentan noch hatte. Jack wollte niemandem zur Last fallen und seiner Frau nicht zumuten, ihn Tag für Tag zu versorgen, während er immer schwächer wurde und allmählich seine geistigen Fähigkeiten verlor.
Ryan riet ihm, mit der Arbeit aufzuhören. Er erklärte ihm auch, das Wachstum des kleinen Tumors im Gehirn könne mit einer radikalen Behandlung verlangsamt werden, sodass zumindest das kurze Leben, das ihm noch blieb, ein wenig verlängert werden könne.
Während Jack damit beschäftigt war, eine möglichst hohe Quote von Verurteilungen zu erreichen, Prozesse zu gewinnen und bei Grundstücksstreitereien Einigungen zu erzielen, hatte er vergessen zu leben und die einfachen Freuden rings um sich herum zu genießen, weil er sich für unsterblich hielt. Es erschütterte ihn bis ins Mark, dass er niemals daran gedacht hatte, so jung und auf diese Weise zu sterben. Die moderne Medizin verfügte über vielerlei Behandlungsmöglichkeiten, um das Leben zu verlängern, wobei die Lebensqualität keine Rolle spielte. War es wirklich so modern, den letzten Atemzug aus einer geistlosen, nutzlosen Hülle herauszupressen, ehe die Ärzte der Seele erlaubten, ins Jenseits zu entschwinden? Jack fragte sich, ob dies einen Fortschritt oder einen Rückschritt in der Entwicklung der Menschheitsgeschichte darstellte.
In so vielen Kulturen konnte man einen ehrenhaften Tod sterben, etwa den Tod auf dem Schlachtfeld. Er war die größte Ehre für die Wikinger, die dann mit einem Schwert in der Brust von den Walküren begleitet in Walhall einzogen. Auch ein Samurai starb in der Schlacht, wenn er das Reich seines Gottes, des Kaisers, bis zum letzten Atemzug verteidigte. Und viele einfache Soldaten opferten ihr Leben, um ihre Kameraden zu retten.
Doch Ryans MRT und die Diagnose machten klar, dass das bei Jack nicht der Fall sein würde. Er würde kein Schwert in der Hand halten, kein höchstes Opfer im Namen Gottes darbringen und keinen ehrenvollen Tod auf dem Schlachtfeld erleiden. Als Jack über die Worte auf dem schicksalhaften Tattoo auf seinem Arm nachdachte, fragte er sich, was der Tod noch für ihn bereithielt. Würde er einen ruhmreichen Tod sterben oder unbeachtet und kraftlos aus dem Leben scheiden, ohne dass er es verhindern konnte?
Wenn das Tattoo auch nur ein Fünkchen Wahrheit barg, lief ihm jedenfalls die Zeit davon.
Mia schwebte in Lebensgefahr, nachdem Unbekannte sie entführt hatten. Daher war es von allergrößter Bedeutung, sie zu finden und zu retten. Jack musste sie zurückbekommen, und das nicht nur, weil er sie von ganzem Herzen liebte, sondern auch, weil ihre Töchter sie brauchen würden, sobald er nicht mehr da war. Ob er nun morgen oder in sechs Monaten starb, so musste er auf jeden Fall alle Hebel in Bewegung setzen, um den Kindern wenigstens die Mutter zu erhalten.
Jack würde alles tun, um Mia zurückzubekommen und es mit dem Mann aufzunehmen, der ihn auf der Brücke angegriffen hatte. Er würde es tun, auch wenn er bei dem Versuch starb, sie zu retten, und sein Leben opfern musste, damit sie leben konnte. All das wäre es wert. Es wäre ein ehrenvoller Tod.
18. Kapitel
MIA
Alle glaubten, Mia Norris sei in privilegierten Verhältnissen aufgewachsen. Man hielt sie für ein Mädchen, das alles besaß, was das Herz begehrte, doch nichts hätte weiter von der Wahrheit entfernt sein können. Die Stieftochter eines erfolgreichen Geschäftsmannes und des ehemaligen Direktors des FBI , Sam Norris, wurde als Mia Sullivan geboren, als Tochter von Joe und Patricia Sullivan.
Joe war Lieutenant bei der Navy – als Zwanzigjähriger ein SEAL und mit dreißig Strategieanalytiker –, und daher war die Welt ihr Zuhause, wie ihr Vater zu sagen pflegte. Auch wenn dies vielleicht zutraf, so bedeutete es
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