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Auferstehung

Auferstehung

Titel: Auferstehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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ihm. Er wollte ihm einen Denkzettel verpassen. »Hör zu, du Arschloch«, sagte er, »solltest du mich je wieder ›Kleiner‹ oder ›Liebling‹ oder sonst irgendwie nennen – solltest du mich je wieder auch nur ansprechen, dann werde ich dir eine verpassen, dass du einen Monat lang deine eigenen Zähne scheißt! Hast du mich verstanden, du Arschloch?«
    Der große Stanley drehte sich auf dem Sand um und weinte noch lauter.
    Harry sah auf und funkelte den Rest der Meute an. Er nahm seine Brille ab und steckte sie mit finsterem Blick in die Tasche. Er blinzelte nicht und machte nicht den Anschein, als würde er die Brille überhaupt benötigen. Seine Augen glänzten wie Marmor und schienen Funken zu sprühen.
    »Was ich diesem Stück Scheiße gesagt habe, gilt auch für euch. Oder rechnet sich hier und jetzt jemand Chancen aus ...?«
    Jimmy Collins trat neben ihn. »Oder zwei von euch vielleicht?«, fragte er. Die Meute blieb stumm. Sie sperrten die Münder weit auf und die Augen noch weiter. Langsam wandten sie sich ab, begannen zu reden und nervös zu lachen, machten Witze, als wäre nichts geschehen. Es war vorbei – und seltsamerweise waren sie alle froh darüber.
    »Harry«, sagte Jimmy leise aus dem Mundwinkel, »so etwas hab ich ja noch nie gesehen! Noch nie. Du hast wie – wie – wie ein Mann gekämpft! Wie ein Erwachsener! Wie der alte ›Sergeant‹ beim Schattenboxen in der Turnhalle. Waffenloser Kampf, so nannte er das.« Er stieß seinem Kumpel mit dem Ellbogen in die Rippen – jedoch sehr sachte. »He, weißt du was?«
    »Was?«, fragte Harry, der am ganzen Leib zitterte, mit seiner eigenen Stimme.
    »Du bist seltsam, Harry Keogh. Du bist wirklich seltsam!«
    Zwei Wochen später saß Harry Keogh in der Prüfung.
    Das Wetter hatte sich in der ersten Septemberwoche beständig zum Schlechteren gewandelt, bis der Regen nicht mehr aufzuhören schien. Es regnete auch am Tag der Prüfung, und der Niederschlag prasselte gegen die Scheiben des Büros des Schulleiters, wo Harry mit Stiften und Papier an einem riesigen Schreibtisch saß.
    Jack Harmon selbst führte die Aufsicht und saß hinter seinem eigenen Schreibtisch. Er las die Berichte über die letzte Lehrerversammlung und fügte Kommentare und Anregungen hinzu. Doch während der Arbeit blickte er gelegentlich auf, um den Jungen anzusehen und sich über ihn zu wundern.
    Tatsächlich wollte Harmon Harry Keogh nicht unbedingt an seiner Schule haben. Nicht aus persönlichen Gründen – nicht einmal, weil er sich halb zu dieser unerhörten Situation hatte drängen lassen, einen Jungen zu prüfen, der bereits seine Chance verpasst hatte. Doch vielleicht würde das einen unglücklichen Präzedenzfall schaffen. Die Zeit war auch ohne derartige Sonderprüfungen schon kostbar genug. Prüfung war Prüfung: sie fand alljährlich statt, und die Bergmannskinder, die sie bestanden, hatten die Möglichkeit, ihre Schulbildung hier zu vollenden, um danach vielleicht eine bessere Zukunft zu haben als ihre Väter vor ihnen. Das System war seit Langem bewährt. Aber diese neuartige Sache – wie Howard Jamieson den jungen Keogh derart förderte ...
    Andererseits war der Rektor der Schule von Harden ein verdienter Freund aus alten Tagen, und es stimmte auch, dass Harmon ihm den einen oder anderen Gefallen schuldete. Trotzdem war Harmon sehr kühl gewesen, als Jamieson ihm diesen Vorschlag unterbreitet hatte, doch der hatte sich als beharrlicher erwiesen.
    Schließlich war Harmons Neugierde geweckt: Er wollte dieses Wunderkind mit eigenen Augen sehen. Um jedoch einen Präzedenzfall zu vermeiden, hatte er nach einem einfachen Ausweg gesucht und auch geglaubt, einen gefunden zu haben. Er selbst stellte die Aufgaben und suchte die schwierigsten aus den Prüfungen der letzten sechs Jahre aus. Kein Junge mit Keoghs Ausbildung konnte auch nur hoffen, diese Aufgaben zu lösen (jedenfalls nicht alle, und ganz gewiss nicht richtig), und während die Prüfung so zur Farce geriet, konnte Harmon sich immer noch ein Bild von Keoghs Leistung verschaffen und seine Neugier stillen. Auch Jamieson würde zufrieden sein; zumindest war dann seine Bitte um eine Sonderprüfung für den Jungen erfüllt worden.
    Und so führte Jack Harmon die Aufsicht und behielt den Jungen im Auge, während er an seinen Unterlagen arbeitete. Für jedes Fach war eine Stunde angesetzt; zwischen den Fächern gab es zehnminütige Pausen; Tee und Kekse wurden hier im Büro des Rektors serviert, und eine Toilette

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