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Auferstehung

Auferstehung

Titel: Auferstehung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian Lumley
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von Grillen im Dunkeln, das langsame Ticken einer verhassten Uhr, die sich nachts über seine Ängste und seine Schlaflosigkeit lustig zu machen schien. Und es war noch viel schlimmer, das wusste er – ihm fehlten nur die Worte, das Wissen und die Erfahrung, um es zu beschreiben.
    Aber er konnte sich den Mund, der diese tiefen, klebrigen, heimtückischen und anzüglichen Worte in seinem Kopf sprach, gut vorstellen. Vor seinem geistigen Auge malte er ein lebhaftes und ungeheuerliches Bild: aus dem Mund troff Blut wie flüssige Rubine, und die glänzenden Schneidezähne waren spitz wie die eines Wolfes!
    »Wie heißt du, Junge?«
    »Dragosani«, antwortete Boris, zumindest dachte er das, denn seine Kehle war zu trocken, um zu sprechen. Doch die Stimme schien ihn zu hören.
    »Ahhh! Dragosani!« Die Stimme wurde zu einem rauen Seufzer, der an Herbstlaub erinnerte, das über Pflastersteine raschelt. Ein Seufzer des Begreifens und der Befriedigung. »Dann gehörst du tatsächlich zu meinesgleichen. Doch ach, noch viel zu klein! Du hast noch nicht die Kraft, Junge. Ein Kind, nur ein Kind. Was kannst du schon für mich tun? Nichts! Dein Blut fließt wie Wasser in dir. Es ist kein Eisen darin ...«
    Boris setzte sich auf, starrte ängstlich in die Finsternis, und noch immer drehte sich alles in seinem Kopf. Er befand sich in der Mitte des Abhangs auf einem flachen Felssims unter den Bäumen. Er war hier noch nie gewesen, hatte nichts von der Existenz dieses Ortes geahnt. Dann, als seine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnten und die Sinne zu ihm zurückkehrten, sah er, dass er in Wirklichkeit auf moosbewachsenen Steinplatten vor etwas saß, das nur eines sein konnte – ein Mausoleum!
    Boris hatte etwas Ähnliches schon einmal gesehen; sein Onkel (der Bruder seines Pflegevaters) war vor einem Monat gestorben und auf diese Weise bestattet worden. Doch war das auf heiligem Grund gewesen, auf dem Friedhof von Slatina. Dieser Ort jedoch ... dies war kein heiliger Ort. Nein, ganz und gar nicht ...
    Unsichtbare Wesen gingen hier um und wirbelten die modrige Luft auf, ohne die Spinnweben und toten Zweige zu berühren, die von oben herabhingen. Hier war es kalt, kalt und feucht, denn hierher hatte sich seit fünfhundert Jahren kein Sonnenstrahl mehr verirrt.
    Das Grab hinter Boris, das man in den Felsvorsprung gemeißelt hatte, war schon vor langer Zeit verfallen, und die schweren Dachbalken lagen im Geröll herum. Bei seinem schmerzhaften Sturz eben musste er über diesen Gesteinshaufen hinweg geflogen sein, ansonsten hätte er jetzt zweifellos eine Gehirnerschütterung. Vielleicht hatte er ja auch eine, denn er fühlte und hörte Dinge, wo es nichts zu fühlen oder zu hören gab. Wo überhaupt nichts hätte sein sollen.
    Er spitzte die Ohren und spähte angestrengt durch die Finsternis dieses verlassenen Ortes, doch da war nichts.
    Boris versuchte aufzustehen, und schaffte es beim dritten Versuch. Er stützte sich zitternd auf eine schräg stehende Steintafel, die einst den Türsturz des Grabes gebildet hatte. Dann lauschte er wieder und sah sich um, strengte im Dunkeln Augen und Ohren an. Doch da war keine Stimme mehr, kein bluttriefender Mund im Spiegel seines Geistes. Er seufzte vor Erleichterung, und sein Atem rasselte in der Kehle.
    Eine dicke Schicht aus Staub, Flechten und Tannennadeln fiel von der Steinplatte unter seinen Händen und enthüllte teilweise ein Wappen. Boris reinigte es vom Schmutz der Jahrhunderte und –
    Seine Hände zuckten zurück, er taumelte rückwärts und hockte sich keuchend hin. Das Wappen bestand aus einem Schild mit einem Drachen im Basrelief, der eine Vorderpfote drohend erhoben hatte. Auf seinem Rücken ritt eine Fledermaus mit dreieckigen Augen aus Karneol. Und über diesen Gestalten thronte der grinsende, gehörnte Kopf des Teufels selbst, der eine gespaltene Zunge ausstreckte, an der Tropfen von Karneolblut hingen!
    Alle drei Sinnbilder – Drache, Fledermaus und Teufel – vereinten sich nun in Boris’ Geist. Sie verschmolzen mit der Stimme in seinem Kopf. Die Stimme, die genau diesen Augenblick abgewartet hatte, um wieder zu ihm zu sprechen: »Lauf, kleiner Mann, lauf ... weit fort von hier. Du bist zu klein, zu jung, zu unschuldig, und ich bin viel zu schwach und so überaus alt ...«
    Seine Beine zitterten so sehr, dass er Angst hatte, wieder hinzufallen, als er aufstand und sich rückwärts entfernte. Dann drehte er sich um und floh den Ort, so schnell er konnte – weg von den

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