Aufgebügelt: Roman (German Edition)
ist er definitiv verloren!« Sie seufzt.
Ich rege mich nicht auf, ich rege mich nicht auf, ich rege mich nicht auf. Doch ich rege mich auf! »Mama, was soll ich deiner Meinung nach tun? Sie umbringen, ihn entführen? Ihn an mich ketten? Er hat das entschieden, ich habe den beiden kein Ticket gekauft!«
Auf diese Argumente geht meine Mutter überhaupt nicht ein: »Andrea, im übertragenen Sinn hast du ihnen durchaus die Tickets gekauft. Und das Nächste ist dann die Scheidung. Er wird mit dieser Frau Kinder haben. Die ist jung, die will bestimmt welche, und du weißt, wie schnell so was passiert. Zack, ist die schwanger und du kannst sehen, wie du dich durchschlägst – auch finanziell. Noch hast du die Chance, die Sache hinzubiegen, aber so langsam wird es eng. Deine Schwester macht sich auch Sorgen.«
»Und mein Arbeitgeber auch, wenn ich nicht bald auftauche!«, beende ich diese unerquickliche Diskussion, die ja eigentlich keine ist. Es ist, wie meist, nur eine Anhäufung von Vorwürfen.
»Wenn du am Sonntag zum Kaffee kommst, können wir in Ruhe drüber reden und eine Strategie entwickeln. Deine Geschwister kommen auch!«, lädt mich meine Mutter ein.
Ein überaus verlockender Gedanke! Uah!
»Ich bin am Wochenende nicht da. Ich fahr mit Sabine zum Wellness-Wochenende! Ihr müsst also alleine Strategien entwickeln – das könnt ihr ja eh besser ohne mich!« Ich bin ich nun doch ein wenig beleidigt.
»Tja, ob das in deiner Situation die richtige Maßnahme ist, ins Wellness-Wochenende zu fahren, wage ich zu bezweifeln. Davon kommt er bestimmt nicht wieder! Aber tu, was du nicht lassen kannst, du bist ja alt genug«, ist sie nun auch beleidigt.
Das können wir zwei wirklich gut, uns gegenseitig verärgern. Es gibt kaum jemanden, der mich so auf die Palme bringen kann wie meine Mutter. Ich liebe sie, aber ich kann sie nur in kleinen, homöopathischen Dosen ertragen.
»Sie meint es doch nur gut!«, hat Christoph früher immer Partei für meine Mutter ergriffen. Meint sie es tatsächlich nur gut, oder will sie einfach nur, dass die Welt und ihr Umfeld so funktionieren, wie es ihr gut passt? Denkt sie wirklich darüber nach, was für mich, ihre Tochter, gut wäre, oder geht es nicht doch eher um das, was ihr gut gefallen würde? Bin ich genauso, wenn es um meine Kinder geht? Will ich für sie nicht auch das, was ich für richtig halte? Gerade bei Claudia. Ich will, dass sie zielstrebig ist, dass sie ein tolles Studium absolviert und nicht, dass sie ihrem Gustav Johannes auf Biegen und Brechen zu gefallen versucht. Ich will, dass sie stark, selbständig und unabhängig wird. Sie hingegen will momentan nur eins: rund um die Uhr mit ihrem Liebsten zusammen sein. Ist das so sträflich? Sollte ich mich nicht für sie freuen? Trifft das, was ich meiner Mutter vorwerfe, nicht eins zu eins auch für mich zu? Stört es mich so dermaßen an ihr, weil ich ganz genauso bin? Will auch ich, dass mein persönliches Umfeld so lebt, wie es meiner Vorstellung entspricht? Fehlt es mir, genau wie meiner Mutter, an Toleranz? Na ja, immerhin stelle ich mir diese Fragen – ich kann mir kaum vorstellen, dass meine Mutter das tut.
Im Büro kann ich meine Klappe mal wieder nicht halten. Ich erzähle – mit vor Stolz leicht geschwellter Brust – ganz beiläufig von meiner Einladung nach Venedig. (Es wird schon nicht Warschau sein!) Dabei versuche ich, mir meine Ekstase nicht anmerken zu lassen, und tue fast so, als würde ich ständig zu romantischen Wochenenden eingeladen. Silke und Gesa sind platt.
»Echt, du fährst mit Rakete nach Venedig? Also, das ist ja unglaublich! Der muss ja wirklich voll auf dich abfahren. Was hast du denn mit dem gemacht?«; will Silke wissen.
Gerade so, als hätte ich eine ganz besondere Kusstechnik oder irgendeinen Trick, der Männer zum Erliegen bringt. Schön wär’s. Allein die Blicke von Gesa und Silke sind einiges wert.
Es ist albern, aber durch die Einladung von Rakete habe ich bei meinen Kolleginnen enorm an Achtung gewonnen. Das Interesse eines Mannes kann den eigenen Marktwert, wie ich hier merke, ganz offensichtlich steigern – das ist ärgerlich, fühlt sich aber trotzdem irgendwie gut an. Ich lasse, auch versuchsweise beiläufig, noch einfließen, dass wir Business Class fliegen und in einem irre schicken Hotel übernachten werden. Ja, das ist plumpe und platte Angeberei. Das ist eigentlich richtig würdelos, und davon abgesehen, habe ich keine Ahnung, ob wir in einem schicken Hotel
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