Aufgebügelt: Roman (German Edition)
der Situation ein wenig ihrer Brisanz.
»Hallo!«, höre ich da auch schon eine tiefe Stimme. »Ich bin der Ed. Und das ist die Conny.« Ein Mann, etwa um die ein Meter 70 groß, kräftig, mit Baseballkappe und Cowboystiefeln, streckt mir seine Hand hin. Ed drückt fest zu und strahlt mich an: »Endlich mal ein neues Gesicht! Hat die Nicki wohl keine Zeit gehabt.« Er lacht.
Wieso endlich mal ein neues Gesicht? Was bitte soll das denn heißen? Ich frage lieber nicht nach.
Tom, also Rakete, guckt verlegen. »Die Nicole, also, die Nicki, die ist eine Ex von mir, nichts Wichtiges!«, erklärt er mir.
Ich nicke – was soll ich dazu auch sagen? Conny, die Freundin oder Bekannte oder was auch immer von Little Ed, umarmt mich zur Begrüßung. Sie ist gut einen halben Kopf größer als er und mit Sicherheit auch 15 Jahre jünger. Irgendwas Anfang 30 würde ich schätzten. »Wir werden eine tolle Zeit haben. Istanbul ist so megahip! Echt ein Shoppingparadies!«, freut sie sich.
Ob wir sehr viele Gemeinsamkeiten haben werden, bezweifle ich, aber immerhin ist Conny freundlich.
Nach und nach gesellen sich auch die anderen zu uns. Neben Little Ed und seiner Conny sind da noch Horst und Tini und Will (der so aussieht, als gehöre an seinen Namen auch noch ein i) mit seiner Freundin Steffi. Alle Frauen sehen auf den ersten Blick nicht so aus wie Ehefrauen – sie sind alle jünger als ich, oder zumindest besser erhalten. Aber alle sagen freundlich guten Tag und machen einen ganz netten Eindruck. Ich werde ja nicht meinen Lebensabend mit ihnen verbringen, sondern nur zwei Tage in Istanbul, rede ich mir gut zu.
Rakete verlangt meinen Pass (an den ich zum Glück heute Morgen gedacht habe) und checkt uns ein.
»Wir Männer fliegen vorne, es gab nur für uns Business Tickets, aber die paar Stunden bis Istanbul sind ja auch in der Holzklasse kein Problem«, eröffnet mir Rakete und überreicht mir mein Ticket. Ich bedanke mich brav, obwohl ich leicht angesäuert bin. Die Frauen fliegen hinten, die Männer vorne! Welcher wohlerzogene Mann würde so etwas machen? Wahrscheinlich jeder. Schade, Business Class hätte mir gefallen. Wäre mal was Neues gewesen. Und auch herrlich zum Angeben im Büro. Little Ed immerhin hat Benehmen. Er tritt seinen Platz in der Business Class an seine Conny ab, obwohl sie in ihrem zarten Alter auch sicherlich gut hinten sitzen könnte, ohne direkt Gefahr zu laufen, Thrombose zu bekommen. Aber Überraschung: Conny will nicht nach vorne in die Business Class!
»Ich sitze bei den Mädels, da können wir uns alle schon mal kennenlernen«, kichert sie.
Ich hätte das Ticket genommen, aber leider fragt Rakete mich nicht. Ed lenkt sofort ein. Er scheint erleichtert. Gut für ihn, er hat durch Großzügigkeit gepunktet, muss aber dennoch auf nichts verzichten.
Nach der Sicherheitskontrolle haben wir noch Zeit und sitzen im Wartebereich vor unserem Abflug-Gate. Zeit, in der ich die anderen eingehend betrachten kann. Alle drei Frauen sind gutaussehend. Zwei von ihnen sind blond, haben lange, perfekt gesträhnte Mähnen. Kein Ansatz zu entdecken. Die haben mit Sicherheit den gleichen Friseur. Tini ist dunkelhaarig. Ein sattes Dunkelbraun, lang und glänzend und garantiert heute Morgen schon frisch geglättet. Kein graues Haar weit und breit. Alle drei tragen Turnschuhe (Tini hat diese neumodischen Dinger mit Keilabsatz an, die beiden anderen tragen klassisch lässige Converse – Steffi die mit Stars and Stripes, Conny welche in verwaschenem Türkis) und ich fühle mich mit meinen Pumps und der weißen durchgeschwitzten Bluse gar nicht mehr so chic wie noch heute Morgen. Es gibt Frauen, gegen die man optisch keine Chance hat und die einen immer einen Hauch altbacken aussehen lassen. Ich fühle mich genau so: altbacken. Ein bisschen vorortmäßig, was die Mode angeht. Auch figürlich bin ich nicht in Topposition. Ich kann mir aber auch nicht vorstellen, dass die drei in letzter Zeit wirklich Nahrung zu sich genommen haben.
»Und wart ihr schon mal in Istanbul?«, frage ich in die Runde und versuche, mich aufgeschlossen zu geben.
»Ja«, kommt die rasche Antwort von Tini, »mehrmals. Es ist mega.«
Es ist mega? Megatoll? Megadoof? Megagroß? Seit wann ist mega ein Adjektiv?
»Warst du noch nie da?«, fragt sie zurück und klingt fast ein bisschen entsetzt. »Istanbul ist das neue Paris, das neue Marrakesch!«, betont sie.
»Ne«, sage ich, »aber ich freue mich drauf!«
»Da kann man unglaublich toll
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