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Aufgelaufen

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Titel: Aufgelaufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Koehn
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reiten, wozu er nüchtern nicht im Stande war, um aus dem tagtäglichen Selbst zu flüchten, in Vergangenhe i ten, zu Effie hin, in die Welt unbewussten Lebens.
    Nächtelang stromerte er deshalb über  „die Meile“, Udo Lindenberg im Ohr. Tags hockte er still am Grab. Unvermutet traf er Effies Schwester dort, die pflanzte Blumen.
    „Sie müssen Pierre sein.“
    „Und Sie?“
    „Angela, die Schwester.“
    Einen Hintern hatte die, zum Nüsse-darauf-Knacken. Allerdings fand er ihre weit auseinander stehenden Augen nicht besonders anziehend. Was soll’s ...
    „Darf ich Sie zu einem Kaffee einladen?“
    „Gerne.“
    Sie saßen bis zum Spätsonnenschein an der Alster,  dann unter der Pe r gola eines Restaurants. Stechmücken wurden lästig. Angela schlug nach ihnen, klatschte auf den Unterarm. Nach dem vierten Kirschwasser störten die Schnacken nicht mehr.
    Angela hatte Fotos von Effie auf den Tisch gelegt.
    „War sie nicht schön?“
    „Das will ich meinen!“
    „Finde ich auch.“
    Doch sie wollte etwas anderes von ihm und er sollte ihr sagen, was das war.
    „Du hast den schöneren Arsch!“, nach dem fünften Wodka.
    „Findest du?“
    Ein paar Meter weiter lief eine Katze über die Straße, ein Hund hinte r her, geschmeidig die Katze, kläffend der Hund. Erst langsam, geradeaus, dann schneller, rasend im Kreis die zwei. Der Stubentiger entwischte auf einen Baum; Bello winselnd davor, gescheitert, im Versuch den Stamm zu bezwingen.
    Angela lächelte, Pierre grinste.
    „Ein Hund ist keine Katze.“
    „Hast recht!“, sagte er. „L ass uns gehen, ich habe Lust auf dich.“
    Ihr Ja kam mit schwacher, zögerlicher Stimme; dieses Versprechen, da s mit Ja anfängt und nur manchmal auch positiv bleibt ...
    Ihre Wohnung war weiß gestrichen. Ein Weiß, das ins Eierschalenfarb e ne umschlug, je nachdem wie die Sonne schien. Die schien, und ihr Bett war mit Weißzeug bezogen, sämtliche Teppiche, Tücher in Bad und K ü che: weiß. Weiß an Möbeln, an Türen und Decken. Das Foto an der Wand: ein weißes Pferd im Schnee.
     
    Für Pierre hatte sich mit Angela nicht die Wirklichkeit verändert, für Angela schon.
    „Du kommst doch wieder?“
    „Mal sehen.“
    „Ich brauche dich!“
    Das sagen sie alle, wusste er. Dass er niemanden brauchte, das intere s sierte nicht.
    Zurück nahm er den Zug bis Salzwedel, von da mit dem Bus. Den Rest, Gartow via Schnackenburg, per Anhalter.
    Von Gustes Bullaugenscheiben lagen vier Stück in Scherben, von Ra n dalierern – oder Emil – eingeworfen; das war die schlechte Nachricht.
     
    Als er die Glasscherben und Steine zusammengekehrt hatte, bemerkte er zwei dünne schwarze Kabel und ein helles Plastikrohr, ein Schreiben der Stadt Schnackenburg fand er im Postkasten.
    „Freuen wir uns, Ihne n mitteilen zu können ...“ Kurz: der Kahn war an die Stromversorgung angeschlossen und ans Wasser, kostenlos. Seitdem lief bei Pierre der Fernseher rund um die Uhr, duschte er täglich; das war die gute Nachricht. Tage später stand ein Reporter der Heimatzeitung am Steg.
    „Können wir ein Interview machen?“
    „Warum?“
    „Die Stadt Schnackenburg hat ihnen doch...“, usw., usw.
    Es gibt eben nichts Gutes nur so, man redet auch darüber, sah Pierre sich bestätigt.
    „Ja, kommen Sie rauf!“
    Eine Stunde dauerte die Befragung. Hochnotpeinlich, hatte man früher dazu gesagt. Egal, jedenfalls von seinem Leben vor der Strandung, seinem wahren Namen, dem gefälschten Kapitänspatent, von den eingeworfenen Fensterscheiben, d arüber sagte er nichts. Nur über ‚Gutes’ berichtete er. Zum Abschied ein paar Bilder, und: „Ab morgen finden Sie täglich die Heimatzeitung zum Frühstück vor“, als Lohn.
    „Das freut mich!“ Er dachte an den Kanonenofen, der ohne Papiera n zünder Schwierigkeiten machte; das hatte sich damit auch erledigt.
     
    Wieder der Polizist, im verschwitzten Bullengesicht lag Falschheit, die Pierre offensichtlich ansah. Erneut wegen Emil, das Ganze.
    „Komm einfach mit ...!“
    Die Anzeige Emils wegen Beleidigung ergab vor Gericht auch keinen anderen Sinn als die der Tage zuvor. Aber Pierre wollte nicht mit der G e richtsbarkeit zocken. Er sah bei der Verhandlung stumm in den Himmel, doch seine Seele rumorte laut vor dem Recht. Er sagte aber nichts, wozu auch? Manche wollten ihn hier im Landkreis nicht. Wobei er nicht wusste, wer die waren. Er würde es herausfinden. Nur das Wie war ihm fremd, ein Wie, dass vor Leben knisterte. Vor Neugier, Rache,

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