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Aufstand der Alten

Aufstand der Alten

Titel: Aufstand der Alten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brian W. Aldiss
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Pitt fruchtlose Frage wollte ihm nicht aus dem Kopf. Wie sollte alles das enden?
    Als sie das Rund der Lichtung abgeschritten hatten, kamen sie wieder an die Themse, diesmal im Westen, wo sie in ihr Land eintrat. Sie blieben stehen und betrachteten müßig das ziehende Wasser, wie es sich an zahllosen Hindernissen vorbeimühte.
    »Wie alt bist du, Charley?« fragte Graubart unvermittelt.
    »Ich habe es aufgegeben, die Jahre zu zählen. Mach nicht so ein trübsinniges Gesicht! Was bedrückt dich? Du bist doch sonst ein fröhlicher Mensch, Graubart. Fang nicht an, über die Zukunft nachzudenken. Sieh dir das Wasser an – es geht, wohin es will, aber es macht sich keine Sorgen.«
    »Ich finde keinen Trost in deiner Analogie.«
    »Nein? Du solltest aber.«
    Graubart dachte, wie ermüdend und farblos Charley war, aber er blieb geduldig.
    »Du bist ein vernünftiger Mensch, Charley«, sagte er. »Wir müssen vorausdenken. Dies wird immer mehr ein Planet voller Pensionäre. Du siehst die Gefahrenzeichen so gut wie ich. Es gibt keine jungen Männer und Frauen mehr. Die Zahl derer, die noch fähig sind, den gegenwärtigen niedrigen Lebensstandard zu erhalten, verringert sich von Jahr zu Jahr. Wir ...«
    »Wir können nichts daran ändern. Die Idee, daß der Mensch Herr seines Schicksals sei, ist eine alte Idee – ein Fossil, etwas aus einem anderen Zeitalter. Wir können nichts machen. Wir werden einfach mitgezogen, wie das Wasser in diesem Fluß.«
    »Du liest eine Menge Sachen in diesen Fluß hinein«, sagte Graubart, bitter auflachend. Er stieß einen Stein ins Wasser.
    »Ich gehe«, sagte Charley, aber Graubart hielt ihn am Arm zurück. Er hatte stromaufwärts ein Geräusch gehört, das sich vom Gurgeln und Rauschen des Wassers unterschied. Er ging vorwärts bis an den Rand der Böschung und hielt Ausschau. Etwas kam den Fluß herunter, obwohl man nichts sehen konnte. Überhängende Zweige und Äste nahmen die Sicht. Graubart machte kehrt und eilte im Laufschritt zur steinernen Brücke; Charley schnaufte hinterdrein.
    Von der Brücke hatten sie einen ungehinderten Blick über den Fluß. Kaum hundert Meter flußaufwärts kam ein schwerfälliges Boot in Sicht. Sein breiter und ausladender Bug ließ vermuten, daß es einmal ein Motorboot gewesen war, eine Art Barkasse. Jetzt wurde es von einer Anzahl Weißköpfen gerudert und gestakt, während ein geflicktes Segel schlaff vom Mast hing. Graubart zog seine Holunderpfeife aus der Jackentasche und blies zwei schrille, langgezogene Signale hinein. Dann nickte er Charley zu und rannte hinüber zur Wassermühle, wo Big Jim Mole wohnte.
    Mole öffnete schon die Tür, als Graubart eintraf. Die Jahre hatten seine natürliche Wildheit noch nicht ganz von ihm nehmen können. Er war ein bulliger, untersetzter Mann mit einem mißtrauischen Schweinsgesicht. Wirres graues Haar umkränzte seinen kahlen Schädel und wuchs ihm aus den Ohren.
    »Was soll der Lärm?« fragte er unwirsch.
    Graubart sagte es ihm, und Mole kam forschen Schrittes heraus, wobei er seinen bejahrten Uniformmantel zuknöpfte. Hinter ihm erschien ›Major‹ Trouter, ein kleiner Mann, der stark hinkte und sich nur mit einem Stock fortbewegen konnte. Kaum war er ins graue Tageslicht hinausgetreten, begann er in seiner hohen, quietschenden Stimme Befehle zu schreien. Nach dem falschen Alarm waren die meisten Leute auf den Straßen. Prompt begannen sie sich – Männer wie Frauen – zu einer eingeübten Verteidigungsformation zu gruppieren.
    Es war ein zerlumpter und buntscheckiger Haufen.
    Viele alte Münder husteten in die feuchtkalte Winterluft. Manch alter Rücken war gebeugt, manch altes Bein steif. Sparcot war eine Zitadelle der Leiden: Arthritis, Hexenschuß, Rheumatismus, grauer Star, Herzschwäche, Influenza, Ischias und Schwindel. Für alles das reagierten die Dorfbewohner recht lebhaft auf das Pfeifsignal.
    Graubart vermerkte dies mit Befriedigung, wenn er sich auch manchmal die Frage nach der Notwendigkeit des Ganzen stellte; er hatte Trouter geholfen, das Verteidigungssystem zu organisieren, bevor eine zunehmende Entfremdung zwischen ihm auf der einen und Mole und Trouter auf der anderen Seite ihn veranlaßt hatte, einen weniger prominenten Platz im öffentlichen Leben einzunehmen.
    Die beiden langgezogenen Pfeifsignale bedeuteten, daß vom Wasser her Gefahr drohte. Obgleich die meisten Reisenden heutzutage friedlich waren (und Zoll bezahlten, bevor sie unter der Brücke von Sparcot durchfuhren), hatten nur

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