Aufstand der Alten
getragen hatte, wurde ins Wasser hinausgeschoben, bis seine Spitze am anderen Ufer zwischen zwei Steinblöcken ruhte. Es war eine Stelle, wo der Fluß sich zur eingestürzten Brücke weiter stromabwärts verengte, und sie hatte den Dorfbewohnern seit Jahren nützliche Einnahmen gebracht. Die Erhebung von Zollgebühren war die einzige gute Idee, die Big Jim Moles stumpfsinniges und bedrückendes Regime hervorgebracht hatte. Um die Drohung der Sperre zu verstärken, erhoben sich Sparcots Männer hinter ihren Deckungen und zeigten sich am Flußufer. Mole rannte zur Brücke, schwenkte einen Säbel und befahl den Fremden, an Land zu kommen.
Die große dunkelhaarige Frau im Bug schüttelte ihnen die Fäuste entgegen.
»Respektiert die weiße Flagge des Friedens, ihr schäbigen Bastarde!« kreischte sie. »Laßt uns durch. Wir sind heimatlos. Für solche wie euch haben wir nichts!«
Ihre Mannschaft hatte weniger Courage. Die Männer zogen ihre Ruder ein und ließen das Boot unter die Brücke treiben, wo es sich quer an den Stamm legte. Beglückt über die leichte Beute, die sie gemacht hatten, zogen die Dorfbewohner das Boot mit Enterhaken ans Ufer. Das Rentier hob seinen schweren Kopf und brüllte trotzig, die dunkle Frau kreischte ihren Zorn heraus.
»He da, du mit der Metzgerschnauze!« schrie sie und zeigte auf Mole. »Hör zu, wir sind eure Nachbarn. Wir kommen von Grafton Lock. Ist das eure Art, Nachbarn zu behandeln, du verstaubter alter Pirat?«
Ein Gemurmel durchlief die Reihen der am Ufer Wartenden. Jeff Pitt erkannte die Frau als erster. Sie galt als Zigeunerin und wurde darum allgemein Gipsy Joan genannt. Ihr Name hatte selbst bei Dörflern, die sich noch nie in ihr Territorium vorgewagt hatten, einen nahezu legendären Klang.
Jim Mole und Trouter traten vor und brüllten sie an, still zu sein, aber Gipsy Joan überschrie sie. »Macht eure Haken los, verdammt noch mal! Wir haben Verwundete an Bord.«
»Halt deine Klappe, Frau, und komm an Land! Dann wird dir nichts passieren.« Jim Mole hob drohend seinen Säbel, und mit dem ›Major‹ an seiner Seite näherte er sich dem Boot.
Einige der Dorfbewohner hatten bereits an Bord zu klettern versucht, ohne einen Befehl abzuwarten. Durch den fehlenden Widerstand kühn geworden und begierig, sich ihren Anteil an der Beute zu sichern, stürzten sie vorwärts, angeführt von zwei Frauen. Einer der Ruderer, ein behaarter alter Kerl mit einem Südwester und einem gelben Bart, wurde von Panik ergriffen und ließ sein Ruder auf den Kopf des ersten Angreifers niedersausen. Die Frau kippte rücklings über Bord und blieb im Ufergeröll liegen. Sofort kam es zu einem wilden Handgemenge, obgleich die Führer beider Parteien brüllten, sie sollten die Tätlichkeiten einstellen.
Die Barkasse schwankte. Die Männer, die das Rentier gehalten hatten, rannten schutzsuchend zur vorderen Kajüte. Das Tier stand auf, verhoffte einen Moment und sprang über Bord in die Themse. Kräftig in den Strom schwimmend, wurde es flußabwärts abgetrieben. Im Boot erhob sich ein bestürztes Geheul. Zwei Männer sprangen hinterher und schrien im Schwimmen dem Tier zu, es solle zurückkommen. Dann mußten sie auf sich selber achten; einer erreichte weiter unten das Ufer, wo man ihm an Land half. Unten bei den bröckelnden Ziegelpfeilern der eingestürzten Brücke kletterte das Rentier die Böschung hinauf. Das Wasser hatte sein struppiges Fell geglättet. Schnaubend und den Kopf schüttelnd, als sei ihm Wasser in die Ohren gedrungen, blieb es am jenseitigen Ufer stehen. Dann drehte es um und verschwand gemächlich trottend in einem Weidendickicht.
Der zweite Schwimmer hatte weniger Glück. Er konnte keines der beiden Ufer erreichen. Die Strömung nahm ihn mit sich, schwemmte ihn durch die Überreste der Brücke und übers Wehr. Sein dünner Schrei hing über dem Wasser, ein Arm hob sich aus der Gischt, dann waren nur noch die grünen und weißen Wasserstrudel hinter dem Wehr zu sehen.
Der Zwischenfall dämpfte den Kampfeseifer auf beiden Seiten so weit, daß Mole und Trouter die Besatzung ausfragen konnten. Sie sahen nun, daß Gipsy Joan nicht geblufft hatte. Unten in der offenen Kajüte der Barkasse lagen und saßen neun Männer und Frauen, darunter einige sehr alte mit pergamentähnlichen Gesichtern und eingesunkenen Augen. Ihre armseligen Kleider waren zerfetzt, ihre Gesichter und Arme blutig. Eine Frau, der das halbe Gesicht fehlte, schien im Sterben zu liegen.
»Was ist ihnen
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