Aufstand der Maenner
ein Masseur, dem eine Dame nichts von ihrem Körper verhehlt. Eine solche Vorstellung aber war mehr, als Thes gelassen hinzunehmen vermochte. Gerechtigkeit! — Ungerechtigkeit? Sein Instinkt sagte ihm, daß gemeinsame Schuld immer noch das stärkste Band zwischen Adna und ihm sein würde. »Du hast recht, Adna«, begann er. »Aber wir sprechen von zwei verschiedenen Dingen. Du denkst an die Wächter und sonst an nichts. Ich denke an unser Ziel. Unser, Adna! Es ist auch das deine. Du wahrlich gehörst nicht zu den Damen, denen ohne die tägliche Auspeitschung einiger Sklavinnen und Sklaven nicht wohl ist. Du weißt, daß man die Menschen mit Prügel allein nicht satt macht. Und Sattmachen ist das, was man tun muß, wenn man herrschen will. Für wen mühen wir beide uns, Adna? Für uns selbst? Mich kennen die Menschen, und ich könnte nicht sagen, daß es mir an irgend etwas fehle. Unseretwegen dürfte alles so bleiben, wie es ist - gerade von uns beiden kann keiner wissen, ob es ihm nach dem Umsturz nicht schlechter gehen würde als bisher. Für wen mühen wir uns also? Nicht für uns, sondern für die andern, für die Armen, für die Sklaven. Die Reiter sind Sklaven. Meinst du nicht, daß ein bißchen Ungerechtigkeit - wie du es nennst - ein geringer Preis ist für die Freiheit?«
»Immerhin kriegen sie die Freiheit nicht umsonst. Sie müssen sie doch erst erkämpfen!«
»Das müssen sie, und auf der richtigen Seite. Denn daß die Große Dame die Pferde nicht nach Kreta geholt hat, um damit ihre eigene Herrschaft zu stürzen, sollte dir klar sein. Was aber wissen die Kerle schon! Daher dürfen sie gar nicht an Belit denken, sondern nur an uns, die wir da sind. Ganz müssen wir sie in unserer Hand haben, sonst kämpfen sie gegen sich selbst, für ihre eigene Knechtschaft und gegen ihre eigene Freiheit. Willst du das?«
»Nein . . .«
»Du mußt weiter blicken, Adna. Vier Stuten sind aus der umhegten Koppel ausgebrochen . . ., wenn wir das straflos hingehen lassen, werden wir bald keine Pferde mehr haben, und das wäre immer noch besser, als wenn wir sie gegen uns anreiten sähen. Belit ist klug. Sie wußte von Anbeginn, was sie an den Pferden hatte, und sie wird sie einsetzen gegen uns, gegen das Volk, für den Hunger und für die Knechtschaft. Wenn du die Bestrafung nicht willst, dann laß die Koppeln öffnen und die Pferde hinausjagen, hinter Draup her. So leicht sind sie dann nicht wieder einzufangen, und die Eingefangenen sich nicht so schnell wieder zu brauchen. Willst du die Pferde aber nicht in alle Winde zerstreuen, damit sich keiner ihrer bedienen kann, so ist deine Pflicht, dich des Befehls zu versichern und die Disziplin aufrechtzuerhalten. Was du dir dabei denkst, darf dir nicht so wichtig sein. Es handelt sich nicht um dich und nicht um uns — es handelt sich um die andern.«
Einen gewissen Eindruck hatten Thes’ Worte schon auf Adna gemacht, aber mehr einen verwirrenden als einen klärenden. Solange sie ihm zuhörte, gab sie ihm recht, ohne deswegen ihre Abneigung gegen einen Strafbefehl überwinden zu können.
Noch immer hielt Thes ihren Handschuh in den Händen.
»Läßt du ihn mir?« fragte er nun.
Sie wußte, was das bedeutete. Der Handschuh würde ihn bei jedermann in Maaletauro als Träger ihrer Befehle beglaubigen.
»Ich bin überzeugt, ich tue Unrecht«, sagte sie, womit sie ihm im Grunde schon nachgab. »Und kann aus Unrecht Gutes entstehen?«
»Es gibt Unrecht mit wohltätigen Folgen und ein Rechttun, das zur Vernichtung führen kann. Jetzt Schwäche zeigen heißt alles verderben. Dann wäre es schon besser, sich der Pferde zu entledigen.«
Er wußte, daß sie dem nie zustimmen würde, und darum sagte er es.
Sie sprang auf. »Nein, Thes! Dann lieber . . .«
Ehe sie den Raum verließ, wandte sie sich noch einmal um.
»Tue es nicht, Thes«, beschwor sie ihn, »wenn du es vermeiden kannst. Ich bitte dich, tue es nicht.«
Aber ihren Handschuh forderte sie nicht zurück.
25
Vielleicht hätte Thes anders gehandelt, wenn er Näheres von den Verhältnissen unter den Reitern, Läufern und Pferdewärtern gewußt hätte. Das aber war nicht der Fall. Seine Welt der Arena war eine andere als die des Herrn Garparuda in Maaletauro. Bei seinen Treibern und Dienern, die Thes für seine zu erwerbenden Stiere mitgebracht hatte, war er sogar beliebt. Daß hier die Stiere den Pferden gegenüber wenig bedeuteten und noch weniger die Rinderhirten im Vergleich zu den Reitern - auf diesen Gedanken
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