Aufzeichnungen eines Schnitzeljägers
Zeitpunkt nur deshalb nicht, weil ich mir die ganze Zeit eine neue Ausrede für unsere Verspätung auszudenken versuchte. Nur noch 30 Minuten, bis wir wieder am Auto sein mussten …
Der kleine, schmale Pfad endete in einem schönen, ebenso kleinen Tal. Von links schlängelte sich ein Hauptweg sanft den Hang hinab, der Boden, mit frischem Grün bedeckt, nahm unseren Pfad auf, die beiden vereinigten sich und führten etwas breiter und ausgetrampelter auf der anderen Seite wieder hoch (ich hatte es gewusst!) und verschwanden im Wald.
Wir blieben stehen, um uns über unsere Gefühle auszutauschen.
«Toll!»
«Ja.»
Weiter ging es. Der Weg war konstant steil, genau entlang der Zielfindungslinie und immer noch nicht zu Ende.
Es muss eine wunderschöne Gegend gewesen sein, so weit ich das aus meinen Träumen schließen kann. Denn in jenem Moment, als wir den Berg emporstrebten, war an Wahrnehmung nicht zu denken. Ich überschlug kurz: Wir waren seit 60 Minuten unterwegs und brauchten bestimmt noch 15 Minuten, allerdings waren wir auf dem Rückweg sicher schneller, weil es bergab ging. Wir könnten es also schaffen, pünktlich zur Verspätung im Theater zu sein. Immerhin hatten wir noch eine Stunde Fahrt vor uns.
Ich jubelte innerlich. Es würde funktionieren. Gut, vorausgesetzt, wir kamen am Ziel an, der Cache würde uns aus dem Boden entgegenspringen, das offene Logbuch würde uns, unsere Namen darin schon eingetragen, entgegenfliegen und binnen Sekunden wieder in der Dose verschwinden, bevor sich der Cache wieder selbst eingraben würde. Währenddessen wären wir längst auf dem Rückweg. Sofort verging die Jubelstimmung, und ich überlegte mir die nächsten Ausreden für die Theaterleute.
Nach unendlich vielen Kilometern, qualvollen Minuten und mehreren Litern Schweiß, die sich zum Glück in meinen mehrschichtig angeordneten Kleidungsstücken ansammelten, erreichten wir endlich unser Ziel: eine Bergkuppe, umgeben von Wald, von der aus es links steil bergab ging. Hier mussten wir nur noch suchen, sehr guter Empfang, und wir mussten nur sechs Meter seitlich den Weg verlassen. Aber: links. Das hieß: 20 Meter tiefer …
Felsen. Ein steil abfallender Hang, teilweise von senkrechten Felsabbrüchen unterbrochen. Kleine Bäume versuchten mit ihren zarten Wurzeln Halt zu finden, trockener Lehm und Laub bedeckten den Boden und vereitelten jede Möglichkeit, den Untergrund zu erkennen. Irgendjemand musste all das da hingebaut haben, seitdem der Cache das letzte Mal gehoben worden war. Oder die anderen Cachesucher hatten vergessen, es zu erwähnen. Wie hätten wir bei Sätzen wie «… von wegen ohne klettern …» oder «Bin ich Reinhold Messner?» oder «… auch ohne Seil und Haken erfolgreich …» auch darauf kommen sollen, dass wir hier irgendwelche Steilwände vorfinden würden? Also wirklich! Man kann nicht alles von uns erwarten.
Aber wir hatten den Point of No Return bereits hinter uns gelassen. Genau genommen hatten wir ihn bereits hinter uns gehabt, als Tobi die interessant klingende Cachebeschreibung aus dem Stapel gezogen hatte. Aber wer einmal dahinter ist, der bleibt da auch, deshalb heißt es ja NO RETURN.
Wir kletterten den Hang hinunter und fingen an zu suchen. Da wir auch jetzt wieder mit dem schlechten Empfang unserer GP S-Geräte zu kämpfen hatten, mit Ungenauigkeiten von bis zu 20 Metern, weil die Felswand das Signal abschirmte, kraxelten wir den Hang rauf und runter, runter und rauf. Zum Glück waren wir nassgeschwitzt, deshalb flog der ganze Staub nicht durch die Gegend und behinderte unsere Sicht, sondern er blieb einfach an unseren Körpern kleben. Hmmm … dafür brauchten wir nachher also auch noch eine Ausrede … Wir waren so verdreckt, dass zwei andere Cacherguppen uns gar nicht erkannten, als sie an uns vorbeikamen und wir uns einfach tot stellten.
Irgendwann wurden wir dann fündig. Der Cache lag versteckt in einer kleinen höhlenartigen Vertiefung. Dass ich an dieser Stelle «wir» schreibe, ist ziemlich nett von mir. Tobi gegenüber.Geglaubt hätte es mir sowieso keiner. Denn wie immer war es so, dass ich den Cache fand. 62 Ich rannte an eine andere Stelle, rief: «Hier ist er», und ging danach schnell mal für kleine Königstiger. Als ich zurückkam, war Tobi vor lauter Suchen fest mit dem Erdreich verwachsen und nur mit Mühe und Not wieder herauszubekommen.
Er stammelte bloß: «Hier is nix, hier is nix!»
Ich sagte daraufhin:
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